Vor 40 Jahren: EG-Gipfel in Bremen stellt Weichen für Euro-Währung
Dem Start des Eurosystems 1999 ist ein immer wieder mit Rückschlägen verbundener Prozess zur Schaffung einer Währungsunion vorausgegangen. Erstmals 1969 legte der damalige Ministerpräsident von Luxemburg seinen Werner-Plan vor. Diese Idee, bis 1980 eine Währungsunion zu etablieren, kam viel zu früh. Weltweite Turbulenzen im Kontext mehrerer Ölkrisen und hoher Inflation vereitelten diesen Plan. Es folgten verschiedene Versuche einer kleineren Lösung zur Stabilisierung der Wechselkurse zwischen den damaligen EU-Mitgliedsländern. Dabei erwies sich die beibehaltende Koppelung der EG-Mitgliedsländer-Währungen an den USA Dollar (im „Tunnel“ bzw. in der „Schlange“) als Hemmnis. Nach der epochalen Abschaffung der innergemeinschaftlichen Zölle durch die Zollunion – vor fünfzig Jahren – zum 1. 1. Juli 1968, wurden die ökonomisch schwer kalkulierbaren Wechselkursausschläge zur größten Bremse für grenzübergreifende Wirtschaftsaktivitäten. Wegen der Wechselkursunsicherheit mussten zur Risikoabsicherung teure Geschäfte auf Termin betrieben werden.
Die epochale Wende aus diesem Dilemma der durch Wechselkurssprünge behinderten Wirtschaftsintegration wurde endgültig vor vierzig Jahren, am 6./7. Juli 1978, auf dem EG-Gipfel in Bremen vollzogen. Für den Erfolg stand die deutsch-französische Achse mit Helmut Schmidt und Valery Giscard d ´Estaing. Geschaffen wurde ein System fixer Wechselkurse mit Schwankungsmargen. Weichen die Preise auf den Devisenmärkten für französische Francs in D-Mark vom bilateral festgesetzten Leitkurs im Normalfall um 2,25% nach oben bzw. nach unten ab, müssen die beteiligten Notenbanken intervenieren. Sollten jedoch die faktischen Devisenkurse dauerhaft von den bilateralen Leitkursen abweichen und Interventionen erzwingen, dann werden diese entsprechend angepasst (sog. Realignments).
Dieser Wechselkursmechanismus, der am 13.3. 1979 startete und zum 1.1. 1999 durch das Eurosystem abgelöst worden ist, hat auch schwere Krisen durchlaufen. Kaum war Großbritannien Ende 1990 endlich in das System eingestiegen, zwangen massive Spekulationen von George Soros auf die Pfundabwertung am 16.9. 1992 („schwarzer Mittwoch“) zum Austritt. Zum Ende des EWS mussten die Schwankungsmargen wegen der stark ausschlagenden Wechselkurse auf 15% nach unten und nach oben ausgeweitet werden.
Am Ende sind es jedoch drei Gründe, die das auf dem EG-Gipfel vor 40 Jahren geschnürte Bremer Paket als genialen Meilenstein in der Weiterentwicklung zur Währungsunion ausweisen:
- Der Europäische Rat bewies den Mut, sich mit einem eigenständigen Wechselkursmechanismus endgültig von der US-Dollar-Abhängigkeit zu entkoppeln. Helmut Schmidts Idee: "Abkoppeln vom kranken Dollar" im Verbund mit wenigen gleichharten europäischen Währungen gegen die Weltinflation.
Heute verbreitet zwar Trump Hetztiraden über einen angeblich unterbewerteten Euro zu Lasten seiner Exportwirtschaft, aber direkten Einfluss hat er nicht.
- Die Notenbanken, die im tagtäglichen Monitoring die Wechselkurse zur Entscheidung über Deviseninterventionen abstimmten, haben das Geschäft der engsten Zusammenarbeit gelernt.
- Der vor vierzig Jahren konzipierte Wechselkursmechanismus hat die Durchsetzung des Eurosystems, das zum 1.1.1999 startete, erfolgreich vorbereitet. Der am Silvesternachmittag 1998 unwiderruflich festgelegte Umtauschkurs basierte auf der in Bremen beschlossenen Formel. Damals wurde die synthetische Zahlungs- und Recheneinheit ECU geschaffen. Giscard d´Estaing wählte den Namen einer französischen Goldmünze aus dem Mittelalter. Für Helmut Schmidt war der ECU die European Currency Unit und somit auf den internationalen Finanzmärkten kommunizierbar. Zur ECU-Berechnung wurden die beteiligten Währungen mit ihrem jeweiligen Gewicht als Wiederspieglung der ökonomischen Wirtschaftskraft (Deutschland anfangs mit 32,98%) im Korb zusammengefasst. Nach dieser Formel ist zum 1.1.1999 für 1 ECU der Umtauschkurs 1,95583 DM festgelegt worden.
Das aus dem EG-Gipfel am 6./7. Juli 1978 in Bremen hervorgegangene Eurosystem hat schwere Krisen vor allem zu Lasten ökonomisch schwacher Länder wie Griechenland durchlaufen. Die Euro-Vorteile überwiegen jedoch die Nachteile. Das vielfach heute geforderte Zurück zum EWS und damit die Abschaffung der Eurowährung wäre für die weitere Entwicklung der EU-Integration eine Katastrophe. Die Währungen der Mitgliedsländer würden wieder zum Objekt von Spekulanten. Nationale Notenbanken vor allem mit der Übermacht der Deutschen Bundesbank würden die politisch-ökonomische Renationalisierung beschleunigen. Deutschland müsste mit einer massiven Aufwertung der reetablierten D-Mark rechnen. Daraus folgt die Notwendigkeit, die bisherigen Vergemeinschaftungsdefizite im Maastrichter Vertrag durch eine parallele Vergemeinschaftung der Wirtschafts- und Finanzpolitik abzubauen.
Mit der Reduktion auf Binnenmarkt plus monetäre Integration kann das Eurosystem auf Dauer nicht funktionieren. Um die Vorteile der Einheitswährung zu sichern, muss entschieden die finanz- und wirtschaftspolitische Vergemeinschaftung vorangetrieben werden. Neben dem Ausbau zur EU-Bankenunion gehören ein eigenständiges Finanzbudget für das Euroland zur Angleichung der materiellen und sozialen Infrastruktur in den Mitgliedsländern dazu. Der derzeitige ESM-Rettungsfonds sollte in einen Europäischen Währungsfonds zur Kreditvergabe an notleidende Länder vergeben werden. Statt Auflagen zu einer schädlichen Schrumpfpolitik muss der Ausbau und die Stärkung der Wirtschaftskraft in den nachhinkenden Ländern durchgesetzt werden.