Handelskrieg stoppen – Auch Deutschland in der Pflicht
Donald Trump ist dabei, den seit Jahren schwelenden Krieg zwischen den großen Welthandelsplayern ausbrechen zu lassen. Dabei hat der Produzent von Falschmeldungen hier einige Fakten auf seiner Seite. Die Bilanz bei den Exporten aus den USA fällt gegenüber den Importen aus Deutschland (2017 über 111 Mrd. €), der EU (120 Mrd. €) und China (243 Mrd. €) seit Jahren negativ aus. Auch sind die Zölle beispielsweise auf Exporte in die USA aus der EU mit 3,5% niedriger als die auf die Importe aus den USA (5,2%). Bei Personenkraftwagen verlangen die USA nur 2,5%, die EU dagegen für USA-Importe 10%. Wie schon im Wahlkampf durch die Instrumentalisierung der Globalisierungsverlierer etwa in der ehemaligen Industrieregion der USA (Rostgürtel, „Rust Belt“) nutzt er diese unbestreitbaren Fakten für seinen katastrophalen „America First“-Nationalismus. Seine protektionistischen Zölle konzentriert er erstmal auf Importe von Stahl mit 25% und von Aluminium mit 10% vor allem gegenüber China. Die EU erhält wegen der zu erwartenden politischen Widerstände allerdings nur bis zum 1. Mai eine Schonzeit. Am Beispiel der Stahlindustrie aus der EU wird klar: Es geht ihm nicht um die Abwehr von Dumpingpreisen auch durch staatliche Hilfen der Importländer, sondern um den Schutz der US-Stahlindustrie gegenüber der überlegenen Konkurrenz aus dem Ausland. Nach dem Abbau von 35% der Beschäftigten liegt die aktuelle Auslastung der Produktionskapazitäten im Stahlbereich nur bei etwas über 70%. Ein faktenbasierter Vergleich zeigt unerbittlich: Die konkurrierende Stahlindustrie beispielsweise aus der EU verfügt schlichtweg mit ihrer hocheffizient erzeugten Produktionspalette über eine viel höhere Wettbewerbsfähigkeit. Diese Konkurrenz etwa aus Deutschland ist im Kern frei von staatlichen Subventionen. Trotz intensiver Bemühungen konnte die US-Administration den Vorwurf des Dumpings, also von Preisen, die auch durch Staatshilfen unter den Herstellungskosten liegen, nicht nachweisen. Vielmehr wird die Section 232 des Außenhandelsgesetzes, die den Präsidenten mit Bezug auf die drohende äußere oder innere Sicherheit handeln lässt, herangezogen. Die bittere Erkenntnis: Anstatt die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, will Trump mit Zöllen diese Branche vor der internationalen Konkurrenz schützen.
Nicht nur Trump verweist darauf, dass in den letzten Jahren auch durch die EU etliche Strafzölle etwa auf Stahlimporte aus China erhoben worden sind. Warum wir ihm dieses Instrumentarium verweigert? Im Vergleich mit China gegenüber der EU-Stahlbranche gibt es einen fundamentalen Unterschied. So ist beispielsweise die deutsche Stahlindustrie innerhalb der EU-Subventionskodex, also ohne staatliche Hilfe, mit ihrer hochwertigen Produktpalette und hochmodernen Produktionstechnologie wettbewerbsfähig. Deutschland wurde jedoch in den letzten Jahren von massiv gestiegenen Stahlimporten mit gezielten Dumpingpreisen aus China überschwemmt. Die verlangten Preise der Stahlimporte aus China liegen nachweislich auch durch vielfältige staatliche Hilfen unter den Herstellungskosten. Im Unterschied zu den USA dienen daher die Zölle der Abwehr von Dumpingvorteilen. Deshalb werden beispielsweise auf die Chinaimporte von Kaltfeinblech bis zu 36,1% und auf korrosionsbeständige Stähle bis zu 42,9% Zölle gegenüber einzelnen Stahlunternehmen in China erhoben. Übrigens haben diese von der zuständigen Welthandelsorganisation (WTO) akzeptierten Strafzölle die Stahlimporte aus China zwischenzeitlich reduziert, ja auch zur Schließung von Stahlwerken in China geführt. Zusätzlich gibt es auch noch ein ökologisches Dumping. Gegenüber dem in Deutschland unter hohen ökologischen Standards produzierten Stahl fallen vergleichbare Betriebsausgaben in Umwelttechnologien in China kaum an. So entspricht die CO2-Mehrbelastung durch 7 Millionen importiertem Walzstahl aus China gegenüber der Produktion in Deutschland dem Ausstoß von 2,1 Millionen Mittelklassen-PKW pro Jahr. Dieser „ökologische Rucksack“ ist auch der Grund für die zum Teil entlastenden Sonderregelungen bei den Energiegesetzen zur C02-Reduktion.
Die Kritik Trumps an den Handelsbilanzungleichgewichten ist grundsätzlich verständlich. Jedoch, die Antwort mit protektionistischen Zöllen ökonomisch auch für die USA dumm und politisch brandgefährlich. Bereits die ersten Reaktionen Chinas auf die geplanten Zölle für Stahl- und Aluminiumprodukte lassen die eskalierenden Folgen eines Handelskrieges erkennen. Schweinefleisch, Wein und Stahl aus den USA sollen mit Strafzöllen belegt werden. Gezielte Behinderungen der in China produzierenden Konzerne wie Apple und Google sind nur noch eine Frage der Zeit.
Die EU ist jetzt in der Verantwortung. Die beliebte vordergründige Kritik aus Politik, aus Teilen der Wirtschaftswissenschaft, vor allem von einschlägigen Wirtschaftsverbänden an Trumps zerstörerischem America-First-Imperialismus offenbart sich durchaus als scheinheilig. Seine nationalistisch verzerrten Attacken auf konkret existierende Diskriminierungen im Welthandel zurückweisen, heißt, mit richtigen Antworten Handelskriege, die nur Verlierer kennen, zu vermeiden. Es geht jetzt vor allem um den Abbau der massiven Handelsbilanzüberschüsse. Deutschland steht mit seinen chronischen Exportüberschüssen an Gütern und Dienstleistungen im Mittelpunkt der Kritik. 2017 überstiegen die Exporte die Importe um 227 Mrd. €, das sind 7% bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt. Eine Strategie zur Reduzierung der Exportüberschüsse ist: Durch die Stärkung der Binnenwirtschaft mit öffentlichen Investitionen, angemessenen Löhnen im Verhältnis zum Verteilungsspielraum und dem Abbau von Armut nehmen die Importe zu und der Außenbeitrag wird reduziert. Immerhin hat die Bundeskanzlerin erstmals diesen Zusammenhang auf dem jüngsten EU-Gipfel in Brüssel angesprochen.
Wie nicht nur die Wahl Trumps zeigt, ein Zurück zur Renationalisierung wäre die falsche Antwort auf die wachsende Zahl der Globalisierungsverlierer. Dagegen muss die Arbeit am regelbasierten Welthandelssystem wieder forciert werden. Im Mittelpunkt steht der generelle Abbau von Zöllen im Rahmen von GATT (General Agreement on Tariffs and Trade). Einen ersten Schritt hat der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier skizziert: Die unterschiedlichen Zollsätze zwischen den USA und der EU könnten angeglichen werden: Beispielsweise wird bei Personenkraftwagen der derzeitige Zollsatz mit 5,2% auf Exporte aus der EU auf das Niveau von 2,5% für US-Importe gesenkt; umgekehrt wird der Zoll von 25% auf Exporte von Nutzfahrzeugen aus der EU in die USA auf die niedrigeren 10% für US-Exporte in die EU gesenkt. Allerdings muss dabei die Meistbegünstigungsklausel als zentrales Prinzip der Welthandelsorganisation (WTO) eingehalten werden (Staaten, aber auch bei bi- und multilateralen Handelsabkommen werden die Handelsvorteile, die einem Land eingeräumt werden, auch allen anderen Ländern gewährt.)
Gegenüber dem aktuellen Prozess der durch nationalstaatliche Interessen Belastung diffundierenden Weltwirtschaft mag das naiv klingen. Aber es gilt, durch die Verhinderung von aggressiven Handelskriegen eine neue Weltwirtschaftskrise zu vermeiden.