Bitcoins: Zwischen Spekulation und sozialer Spaltung
Faszination und Frust mit der virtuellen Pseudowährung Bitcoin, heute der Platzhirsch unter den weit über dreihundert ernst zu nehmenden Varianten an Kryptowährungen, liegen nahe beieinander. Die Gründungsidee fasziniert. Im Mittelpunkt steht eine Art dezentrales, weltweit zugängliches Buchungssystem für Überweisungen, das von der „Gängelei“ durch Geschäftsbanken und der Steuerung durch die Notenbank als „Bank der Banken“ komplett unabhängig ist. Faszination löst das digitale Geld als fieberhaft genutztes Spekulationsin-strument aus. Der Beweis: Am 17. Dezember letzten Jahres ist der bisherige Höchstwechselkurs mit 16.497,3400 € erreicht worden. Der Grund für den Top-Wechselkurs liegt ausschließlich im Spekulationsmotiv: Am 10. 12. 2017 wurden erstmals Spekulationsgeschäfte auf die Zukunft durch die weltgrößte Terminbörse, die „Chicago Bond Options Exchange“ (CBOE) zugelassen. Eine Woche später folgte die Übernahme von Future-Kontrakten auch durch den Konkurrenten „Chicago Mercantile Exchange“ (CME). Seit dem kann auf einen künftigen Bitcoinkurs, der über dem vertraglich vereinbarten Wert liegt, gewettet werden.
In aufwändigen Werbespots und Videos wird jedoch eine Wahrheit verschwiegen. Der Bitcoin-Wechselkurs unterliegt massiven Schwankungen. So ist beispielsweise der durch die Einführung von Futuregeschäften hochgetriebene Preis vom 17.12. 2017 bis zum Jahresende um 5.849.7600 €, also um 35,35% abgestürzt. Darüber findet sich im Propagandamaterial kein Hinweis. Vielmehr wird mit dem Versprechen, innerhalb von 24 Stundenüber 13 000 € zu gewinnen, geworben. Die Unterschlagung von Informationen über Kursabstürze, ja auch dem möglichen Platzen der Bitcoinblase steht im Widerspruch zu den Aufklärungspflichten, die nach der jüngsten Finanzmarktkrise für die alten Spekulationsinstrumente (vor allem Derivate) eingeführt worden sind. Dieser alles beherrschende Einsatz für Spekulationsgeschäfteist der beste Beweis für die mangelnde Tauglichkeit der Bitcoin-Münzen als stabil vertrauensvolle Währung. Die erratischen, extremen Kursschwankungen lassen notwendiges Vertrauen in das Zahlungssystem nicht aufkommen.
Man stelle sich die dramatischen Folgen vor, die durch einen schockartigen Absturz des Euros gegenüber dem US $ um 30 Prozent ausgelöst würden.
Unternehmen, dessen Lieferung mit Bitcoins bezahlt wird, muss also mit dem plötzlichen Wertverlust seiner Einnahmen rechnen. Die schnelle Flucht aus den Bitcoins in den gesicherten Hafen des Euro oder US-Dollar ist höchst rational. Der Währung wird immer wieder das Vertrauen entzogen. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass der Staat im Fall des Absturzes für das entstaatlichte Zahlungssystem nicht mit Rettungsschirmen aushilft. Profiteure sind derzeit noch Wirtschaftskriminelle und Steuerhinterzieher. Der Bitcoin ist das Zahlungsmittel im Darknet. Deshalb bezieht die EU zu Recht Kryptowährungen in die Richtlinie zum Geldwäschegesetz ein.
Die Sehnsucht nach einer staatsfreien Währung treibt die Bitcoinfans an. Erinnerungen an die durch Friedrich von Hayek präsentierte krude Idee von entnationalisierten Währungen zugunsten konkurrierender Umlaufmittel werden wach. Den digitalen Privatisierern ist die derzeitige Abhängigkeit vom durch das Bankensystem geschaffene Buchgeld zuwider. Die Kritik gilt auch der als übermächtig empfundenen Notenbank, die mit ihrer Geldpolitik in die privaten Verhältnisse eingreift. Dagegen steht das Bitcoingeld als Basis der monetären Selbstbestimmung. Dazu ist ein weltweit verbreitetes dezentrales Netzwerk zur Erfassung und Abwicklung der Zahlungsvorgänge auf individuell freiwilliger Basis seit 2009 eingerichtet worden. Es handelt sich um eine Art digitales Buchführungssystem. Im Zentrum steht die Blockchain-Technik, die Zentralrechner überflüssig macht. Diese Technik selbst wird unabhängig von der Nutzung für Kryptowährungen künftig das Bankensystem revolutionieren. Neue Transaktionen im System werden in einem Block verschlüsselt und an die bisherige Kette angehängt. Mit Methoden der Kryptotechnik lassen sich die in Blocks zusammengefassten Zahlungsvorgänge anonymisieren.
Die Frage, inwieweit Bitcoingeld das Notenbanksystem ablösen kann, ist schnell beantwortet. Es gibt keinerlei Regeln, die angemessene Geldversorgung für die Gesamtwirtschaft zu sichern. Staatliche bzw. gemeinschaftliche Notenbanken versuchen mit ihrer Geldpolitik wirtschaftliches Wachstum ohne Inflationstreiberei monetär zu ermöglichen. Unbestritten ist die optimale Steuerung auch wegen der Internationalisierung und wirtschaftspolitischer Zielkonflikte extrem schwierig geworden. Aber die Antwort der Bitcoin-Fanatiker auf die Frage nach der Rolle der Geldmenge in der Gesamtwirtschaft wird nicht gestellt. Festgeschrieben werden maximal 21 Mrd. Bitcoins bis ungefähr 2030. Die Obergrenze ist ausschließlich durch die Machbarkeit mit der Rechner- und Softwarekapazität definiert. Heute beläuft sich schon der im System vorhandene Bestand an Bitcoins auf 16 Mrd. Bitcoins. Warum diese quantitative Obergrenze, warum nicht maximal 30, 150 oder 15 Mrd. Bitcoins? Die Antwort der Bitcoinprotagonisten grenzt an systematische Verdummung. Behauptet wird, durch die monetäre Begrenzung solle Inflation vermieden werden .Damit hat die bis ungefähr 2030 programmierte Bitcoinbegrenzung aber auch gar nichts zu tun. Denn es fehlt jeglicher Bezug zur realen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung der Produktionskapazitäten, zum Angebot und der Nachfrage sowie zu den Inflationsursachen. Im Bitcoinsystem sind es die Miner, die die Bitcoin-Schöpfung übernehmen. Vergleichbar der Lösung eines aufwändigen Suchrätsels wird mit viel Zeit und dem Einsatz von viel Stromenergie Bitcoin-Geld geschürft, mit dem die Arbeit entlohnt wird.
Diese jenseits der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung fixierte Bitcoinmenge erinnert an die frühere Goldwährung. Damals war die Menge des Geldangebots vom Ausmaß des Goldbesitzes der Notenbank abhängig. Oftmals wird beim Vergleich der Miner mit den Goldgräbern übersehen, Gold ist im Gegensatz zu Bitcoins wegen seines hohen Eigenwerts ein beliebter Vermögenswert. Würde der Goldbestand heute noch gelten, dann hätte mangels notwendiger Liquidität die Weltwirtschaft nicht expandieren können. Deflation und Depression würden vorherrschen. Hier zeigt sich, den digitalen Modernisten fehlt es komplett an gesamtwirtschaftlichem und ordnungspolitischem Denken.
Die Kryptowährungen sind also nicht die Alternative zu einer funktionierenden modernen Währung. Dafür gibt es auch soziale Gründe. Die Abhängigkeit vom Bitcoingeld wirkt wie ein sozialer Spaltpilz. Wie soll ein Einkommensschwacher ohne Zugang zur digitalen Kommunikation die erforderliche elektronische Geldbörse („Wallet“) einrichten? Das Geldschürfen bleibt denen vorbehalten, die die komplexen mathematischen Rätsel im Rahmen der Kryptifizierung lösen können. Alle anderen sind ausgeschlossen.
Bitcoingeld in Konkurrenz mit anderen Kryptowährungen wird nie das staatlich bzw. gemeinschaftlich verantwortete Währungssystem ablösen. Dennoch stellen sich zwei Aufgaben: Zum einen muss das heutige System der Geldsteuerung grundlegend vor allem im Bereich der Geschäftsbanken beim Schaffen von Geld aus dem Nichts reformiert werden. Zum anderen darf auf Regulierungen des Bitcoinsystems nicht verzichtet werden. Spekulationsgeschäfte, die am Ende das gesamte Finanzsystem gefährden, brauchen ebenso wie der wirtschaftkriminelle Gebrauch nationale und internationale Kontrolle.