Bremen im Finanzausgleichssystem ab 2020
Die durch die Länder und den Bund vereinbarte Neuordnung des Finanzausgleichs stellt insgesamt auch für die Finanzwissenschaft einen beachtlichen Erfolg dar. Das alte intransparente und kaum nachvollziehbare, zum Teil auch kontraproduktive Verteilungssystem durch den bisherigen föderalen Finanzausgleich ist deutlich entkompliziert worden und zielgenauer gestaltet.
Die wichtigsten Reformelemente sind:
1. Der horizontale
Länderfinanzausgleich (LFA) im engeren Sinne zwischen den Bundesländern
mit zuletzt 11,264 Mrd. € wird abgeschafft. Damit ist der auf dieser Ebene besonders
auffällige Konflikt zwischen den Geber- und Nehmerländern beseitigt. Es gibt also
keinen zu verteilenden Topf mehr, dessen Volumen durch die (normierten) Finanzkraftunterschiede
zwischen den Ländern bestimmt wird.
2. Auch der dem LFA vorgeschaltete horizontale Umsatzsteuervorwegausgleich, also der Teil der den Ländern zufließenden Umsatzsteuer, der nach der Finanzkraft verteilt wurde, ist gestrichen.
3. Künftig bildet der Anteil der Umsatzsteuer der Länder die Basis des Finanzkraftausgleichs zwischen den Ländern. Das Volumen der Umsatzsteuer bei den Ländern, das durch den Bund dauerhaft erhöht wird, ist die Basis des künftigen Finanzkraftausgleichs. Bei dieser Verteilung wird gegenüber den Flächenländern die „Andersartigkeit“ der Stadtstaaten durch die Einwohnerwertung berücksichtigt. So wird auch künftig die Finanzkraft Bremens gegenüber dem Bundesfinanzkraftdurchschnitt (100%) auf 135% angehoben. Dies dient dem Ausgleich der strukturellen Belastungen eines Stadtstaats gegenüber den Flächenländern (so wird etwa die Universität Bremen aus der kleinen Fläche des Stadtstaats finanziert, während zur Finanzierung der Universitäten Münchens die Steuerzahler von Nürnberg bis Garmisch-Partenkirchen zur Verfügung stehen).
4. Die allgemeinen Bundesergänzungszuweisungen bleiben grundsätzlich erhalten. Die bisherigen Sonderbundesergänzungszuweisungen werden im Prinzip auch für Bremen fortgeschrieben (Kosten der politischen Führung, für strukturelle Arbeitslosigkeit und die Abgeltung der Hafenlasten). Das GVFG-Bundesprogramm (Gemeindeverkehrswegegesetz) gilt ab 2020 dauerhaft.
5. Für Bremen sind neben dem Saarland die Sanierungsbeihilfen („Ergänzungshilfen“ in der Tabelle) pro Jahr mit 400 Mio. € der wichtigste Posten.
Insgesamt wird der Bund mit dieser Lösung stärker in den föderalen Finanzausgleich einbezogen. Der Bund gewinnt mit der ausgebauten finanziellen Verantwortung mehr an Einfluss auf die Länder. Das ist richtig: Viele staatliche Aufgaben sollten wegen der die Länder übergreifenden Wirkungen nicht der Länderkonkurrenz und der jeweiligen Kassenlage überlassen werden, sondern bundeseinheitlich gesichert werden. Das Modell ist eine Absage an einen verschärften Konkurrenzföderalismus.
Beachtliche Erfolge für den Stadtstaat Bremen
Bremen hat unter den extrem restriktiven Interessengegensätzen erfolgreich
verhandelt. Bereits am 3.12. 2015 wurden von Carsten Sieling in seiner damaligen Rolle
als Chef der Ministerpräsidentenkonferenz die Weichen gestellt. Mit dem jüngsten Kompromiss
konnten im Prinzip die Elemente des Beschlusses der 16 Länder durchgesetzt worden.
Entgegen den voreiligen Kommentierungen der Oppositionsparteien der Bremischen Bürgerschaft
trägt dieser Kompromiss die Handschrift des Bremer Senats.
Die Berechnung der gegenüber dem bisherigen System künftig zu erwartenden Einnahmen
aus dem neuen Finanzausgleich sind klar: Bremen gewinnt im Vergleich mit der zuvor
geltenden Regelung auf der aktuellen Datenbasis insgesamt 487 Mio. € pro Jahr, die
wegen der eingebauten Anpassungsdynamik steigen werden. Die 487 Mio. € setzen sich
wie folgt zusammen (vgl. Tabelle):
+ 87 Mio. € fließen durch die Neuordnung im Vergleich zum bisherigen Finanzausgleich
zu; dabei ist im Rahmen der Dynamik mit einem Anstieg ab 2020 zu rechnen.
+ 400 Mio. € Sanierungshilfen, die im Konflikt zwischen den Ländern und dem
Bund erkämpft werden mussten. Es war keineswegs sicher, dass die derzeit bei 300 Mio.
€ liegenden Sanierungshilfen mit einer Erhöhung um 100 Mio. € ab 2020 für 10 Jahre
fortgeschrieben werden.
Ein großer Erfolg ist die Tatsache, dass die seit Jahrzehnten umstrittene Einwohnerwertung für den Stadtstaat gehalten werden konnte. Damit wird die strukturelle Benachteiligung der „Hauptstadt ohne Umland“ gegenüber den Flächenländern ausgeglichen. Die Kosten der politischen Führung – ein Ausgleich für die Grundausstattung mit politischen Institutionen bei der Kleinheit des Landes – bleiben mit 60 Mio. € pro Jahr erhalten. Auch die Beteiligung des Bundes an den Hafenlasten mit 11 Mio. € pro Jahr steht Bremen künftig zu. Aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz fließen vom Bund jedes Jahr 6 Mio. € dauerhaft nach Bremen.
Bremen hat einerseits auch durch frühzeitig unterbreitete Vorschläge zur Neuordnung des föderalen Finanzausgleichs beigetragen. Andererseits konnte das Land seine Position im Ausgleichssystem verbessern. Die größten Erfolge sind: Beibehaltung der Einwohnerwertung sowie die jährlichen Sanierungshilfen von 400 Mio. €, die fiskalischen Spielraum schaffen.
Sicherlich wäre mehr an Geld aus dem Finanzsystem wünschenswert gewesen. Bei der Durchsetzung müssen jedoch die ernst zunehmenden Interessengegensätze berücksichtigt werden. Warum gelingt es nicht, das in einem schwierigen Prozess der Kompromissbildung zwischen den Ländern und dem Bund erarbeitete Ergebnis einfach überparteilich anzuerkennen?
Die öffentliche Haushaltspolitik bleibt für Bremen weiterhin eine große Herausforderung. Was jedoch den Finanzausgleich betrifft, gibt es Verbesserungen. Jetzt sind die Warnungen vor einem ausbrechenden Ausgabenwahn richtig. Aber die Stärkung städtischer Dienstleistungen sowie der Ausbau der Infrastruktur im materiellen und immateriellen, vor allem auch im sozialen Bereich darf nicht durch eine Sparpolitik blockiert werden. Die Sanierungshilfen sollten zur sozial-ökonomischen Stärkung eingesetzt werden. Die Bürgerinnen und Bürger sollen diese fiskalische Absicherung im föderalen Bundesstaat auch spüren.