Stress mit dem Banken-Stresstest
Worum geht es?
Die Europäische Bankenaufsicht (European Banking
Authority) hat am Freitag, dem 29. Juli 2016, nach 22 Uhr die Ergebnisse ihres Bankenstresstests
vorgelegt. Ihre Aufsicht über die Risikoentwicklung der Banken bezieht sich auf die
Mitgliedsländer der Europäischen Union. Deshalb wurden 51 Banken in sechzehn Mitgliedsländern
der EU mit einem Anlagevolumen von mindestens 30 Mrd. € ausgewählt. Darunter waren
9 Institute aus Deutschland (auch die NordLB sowie „Volkswagen Financial Services“).
Bei der Suche nach Krisenbanken standen die Großbanken, die mit ihrem Risikopotential
bei einem Absturz Dominoeffekte auslösen können, im Zentrum. Auch die Aufsicht der
EZB für die Banken im Euroland (also ohne Großbritannien) wurde aktiv. Sie testete
56 Institute. Die Ergebnisse sind jedoch nicht veröffentlicht worden. Wie bei einer
Bank Eigenkapital durch Verluste infolge eines schockartigen Krisenszenarios aufgezehrt
wird, bleibt vertraulich und geht nur in die Unterlagen der Aufsicht zur Bewertung
des jeweiligen Geschäftsmodells ein.
Wichtig ist, dass die Europäische Bankenaufsicht für die EU eng mit der Aufsicht der EZB über die Banken, die zum Euroland gehören, zusammengearbeitet hat.
Was ist getestet worden?
Eine Bank muss im Falle von Verlusten
über einen ausreichenden Kapitalpuffer verfügen. Mit Basel III und in der Umsetzung
innerhalb der EU durch die Capital Requirements Directive (SRD IV) muss eine Bank
über die durch die Regulierung vorgegebene Ziel-Kernkapitalquote verfügen. Bei der
Quote wird dieses Eigenkapital auf die nach Risiken differenzierten Aktiva (vor allem
vergebene Kredite) bezogen. Innerhalb eines Anpassungsprozesses bis Ende 2018 ist
die Zielgröße Kernkapitalquote mit 8 % festgelegt worden (hartes Kernkapital ist Tier-1-Kapital
und zusätzliches Kernkapital Tier-2-Kapital).
Beim Stresstest wurde gefragt, ob bei einer Krise der Gesamtwirtschaft und auf
den Finanzmärkten die Eigenkapitalquote ausreicht, die Verluste aufzufangen. Zur Stressbewertung
wurden drei schockartige Belastungen berücksichtigt:
* Die möglichen Auswirkungen in 2018 gegenüber 2015 durch einen Rückgang des
Wirtschaftswachstums um 1,2% in 2016 und 1,3% in 2017 wurden getestet.
* Ein massiver Absturz der Immobilienmärkte ist simuliert worden.
* Erstmals sind auch Rechtsrisiken, die beispielsweise die Deutsche Bank belasten, berücksichtigt worden.
Während der Wechsel in eine Phase der Zinserhöhung durch die Notenbanken untersucht worden ist, blieb der Test auf die Widerstandsfähigkeit von Banken gegenüber der Null-Zinspolitik der EZB unberücksichtigt. Diese Ausblendung der aktuell bedrohlichen Belastung der Banken hat zu vielen Spekulationen geführt.
Wie ist die Widerstandskraft der Banken gegenüber den simulierten Risiken?
Die Europäische Bankenaufsicht stellt bei ihrer Kommentierung fest:
„Das Ergebnis zeigt Widerstandsfähigkeit im EU-Banken-Sektor als Ganzes dank erheblicher
Kapitalaufstockung“. Auch die oberste Bankenaufseherin bei der EZB, Daniele Nouy,
lobpreist: „Der Bankensektor ist heute widerstandsfähiger und kann viel besser wirtschaftliche
Schocks absorbieren als vor zwei Jahren.“
Da bei diesem Stresstest eine zu erreichende und zu sichernde Zielquote zum Eigenkapital nicht vorgegeben wurde, gibt es keine Durchfaller. Allerdings zeigt sich bei einzelnen Banken, dass sie massiv an Eigenkapital im Falle der eintretenden Stressfaktoren verlieren würden. Auf dem letzten Platz steht die italienische „Banca Monte dei Paschi di Siena. Auf dem drittletzten Platz rangiert die RaiffeisenZentralbank Österreich. In Deutschland würde die Deutsche Bank von der harten Kernkapitalquote mit 12,1% in 2015 auf 7,8% in 2018 nach dem Stressszenario zurückfallen (Commerzbank von 11,1% auf 7,4%). Sowohl der Deutsche Bank Chef als auch die Commerzbank loben allerdings dieses Ergebnis. Hier wird mit den Ergebnissen Geschäftspolitik betrieben.
Welchen Aussagewert hat dieser Stresstest?
Die Europäische
Bankenaufsicht sowie die EZB-Aufsicht interpretieren diese Ergebnisse als Beleg für
die Stabilität des Bankensystems. Jedoch wird dadurch das Vertrauen in die Widerstandskraft
des Bankensystems nicht gestärkt. Dazu trägt auch die Tatsache bei, dass erkennbare
Risiken ausgeblendet bleiben.
1. Die Informationen über einzelne Bankhäuser sind nicht neu. Sie zeigen sich schon seit längerem in der Bewertung der jeweiligen Aktien.
2. Die Ergebnisse bleiben ohne Konsequenzen für die kritischen Banken. Es ist nicht klar, wie die Stressergebnisse verwertet werden.
3. Das Gesamtrisiko etwa der italienischen Banken mit insgesamt 360 Mrd. € wird nicht kommuniziert.
4. Die Analyse konzentriert sich auf die internen Bedingungen der jeweiligen Bank. Systemrisiken, die durch eine einzelne Bank auslöst werden, sind nicht erfasst. Unlängst hat der Internationale Währungsfonds die Deutsche Bank als das größte Bankensystemrisiko der Welt identifiziert. Wenn dieses Institut abstürzt, dann löst es mit seinen Verflechtungen einen „Flächenbrand“ aus. Diese Gefahren werden nicht erkennbar.
5. Die Folgen des Brexit für das Bankensystem in der EU bzw. im Eurosystem konnten nicht berücksichtigt werden. Auf diese schlummernden Risiken hätte jedoch insgesamt hingewiesen werden müssen.
6. Die Europäische Bankenaufsicht arbeitet eng mit der Aufsicht der EZB für das Bankensystem im Euroland zusammen. Schließlich werden die Ergebnisse zur Beurteilung der Tragfähigkeit der Geschäftsmodelle der Eurobanken durch die EZB-Aufsicht berücksichtigt.
Aufgrund dieser engen Zusammenarbeit stellt sich die Frage, warum die Widerstandsfähigkeit der Banken nicht unter dem Regime der Politik extrem billigen Geldes untersucht worden ist. Es ist doch bekannt, dass die Banken nicht nur in Deutschland dadurch schwer belastet würden. Das Geschäftsmodell der Sparkassen und Volksbanken droht unter dieser Last zusammenzubrechen. Da nicht erklärt wird, warum darauf nicht eingegangen worden ist, kommen Verdächtigungen auf: Die Säule EZB-Geldpolitik hat kein Interesse an derartigen kritischen Informationen von der Säule EZB-Aufsicht. Dabei sind die Belastungen der Billigst-Geldpolitik für die Geschäftsmodelle der Banken unübersehbar.
Da liegt doch die Vermutung nahe, dass dies EZB über ihre Abteilung Aufsicht nicht wollte und entsprechend Einfluss auf die Europäische Bankenaufsicht (EBA) genommen haben könnte. Sollten die Risiken der Banken durch die billige Geldpolitik hoch ausfallen, dann hätte diese einer schallenden Ohrfeige für die Geldpolitik der EZB geglichen. Es war immer schon falsch, die Doppelaufgabe Geldpolitik und Aufsicht auf die EZB zu konzentrieren.
Dieser Stresstest ist nicht in der Lage, das Vertrauen in das Bankensystem zu stabilisieren. Vorrangig sollten die Bankeninstitute auf der Basis einer systemischen Risikoüberprüfung mit Eigenkapital ausgestattet werden und riskante Spekulationsgeschäfte untersagt bekommen. Auf diesen Stresstest, der eher einer Beruhigungspille gleicht und die Gesamtrisiken nicht erfasst, hätte verzichtet werden können.