Preis der Flüchtlinge-Integration lohnt sich
Nach der Erstunterbringung rückt nun die dringliche Integration der derzeit über eine Million Flüchtlinge in den Mittelpunkt. Die Rückkehr in die Kriegs- und Konfliktsgebiete ist niemandem zuzumuten. Die Unterbringung und vor allem die Integration in die Arbeitsmärkte und Wohngebiete muss finanziert werden. Für das alte und neue Jahr sind die Finanzmittel kurzfristig mobilisiert worden. Der Bund plant für 2016 über eine Umbuchung im letzten Haushaltsjahr 6,1 Mrd. €. Die Bundesländer haben die ersten Kosten mit erheblichen Kraftanstrengungen finanziert. Geschätzt werden nach einer Umfrage in 2016 über 17 Mrd. €. Hinter vorgehaltener Hand wird der nicht vermeidbare Bruch der Schuldenbremse genannt. Dabei würden sich die zweifelnden Länder verfassungskonform verhalten. Artikel 115 sieht im Fall einer „außergewöhnlichen Notsituation“ vor, die Schuldenbremse auszusetzen. Über die Dimension der bisher erforderlichen Finanzierung der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge gibt es unterschiedliche Angaben. Die Deutsche Bundesbank schätzt für 2015 und 2018 die Zusatzausgaben durch Flüchtlinge auf knapp 24 Mrd. €.
Ärgerlich ist, dass bisher Angaben zu den dringend zu finanzierenden Ausgaben in den Folgejahren nicht vorliegen. Für die kommenden Jahre werden der Umfang und die Instrumente der Finanzierung nicht genannt. Wenn dann noch ein namhafter Politiker darauf besteht, diese Kosten im Dunkeln zu halten, dann bietet er den Stoff für Misstrauen und forciert die Sorgen, dass am Ende die Einkommensschwachen die Rechnung bezahlen werden. Nein, die Schätzungen zu den jährlichen Ausgaben und deren Finanzierung für die kommenden Jahre müssen auf den Tisch. Nach der großartigen Willkommenskultur geht es jetzt um den Aufbau der Willkommensinfrastruktur.
Dem Wirtschaftswissenschaftlicher sei der Hinweis zum Verhältnis von Preis und Nutzen erlaubt: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung rechnet unter pessimistischen Annahmen im Jahr 2025 damit, dass die Erträge über den Kosten liegen werden. Erfolgt die Integration schneller, dann übersteigt bereits ab 2017 der ökonomische Nutzen die fiskalischen Kosten. Wichtiges Feld der Integration sind die Arbeitsmärkte. Hier gibt es in Deutschland bereits viele erfolgversprechende Beispiele. Der Preis der Integration lohnt sich.
Zur Versachlichung trägt die Vorlage eines durchaus auch kritisch zu diskutierendem Finanzierungskonzept der Politik bei. Folgende Maßnahmen werden vorgeschlagen:
1. Die Integration der Flüchtlinge wird zum Abbau des derzeitigen Kompetenzwirrwarrs nach Art. 91a GG zur Gemeinschaftsaufgabe als Beitrag zu einem kooperativen Föderalismus.
2. Um eine Finanzierung auf Vorrat zu sichern, wird ein Integrationsfonds (IF) mit Zugang vor allem der Gemeinden eingerichtet. Nach den bisherigen Erfahrungen ist von einem jährlichen Volumen von knapp 20 Mrd. €, das in späteren Jahren sinkt, zu rechnen.
3. Bis zur Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen erfolgt die Finanzierung soweit erforderlich beim Bund, vor allem aber bei den Ländern durch eine entsprechende Aufnahme öffentlicher Kredite. Die Verfassung sieht diese Ausnahme von der Schuldenbremse vor: „Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden.“ Der Kreditlast stehen die ökonomischen gesellschaftlichen Erfolge einer gelungenen Integration für künftige Generationen gegenüber. Wer heute nicht handelt, der versündigt sich an den künftigen Generationen. Über die durch die Flüchtlingsausgaben direkt und indirekt ausgelösten Nachfrageimpulse steigt die gesamtwirtschaftliche Produktion entsprechenden dem Multiplikator mindestens um das Zweifache. Über steigende Steuereinnahmen kommt es zu einem Selbstfinanzierungseffekt der Flüchtlingeausgaben.
4. Ab 2020 wird der derzeitige Solidaritätszuschlag mit 5,5% auf die Einkommen-, Abgeltungs- und Körperschaftsteuerschuld umgewidmet. Bisher dienten die Einnahmen, die 2019 auf ca. 18 Mrd. € geschätzt werden, der allgemeinen Einnahmeerhöhung des Bundes mit der Absicht, die ostdeutsche Integration zu finanzieren. Bereits im Herbst, also Monate vor dem jüngsten Vorschlag von Horst Seehofer, ist der Soli-Vorschlag von Bodo Ramelow und dem Kommentator eingebracht werden. Der Solizuschlag ist durch seine Anwendung auf die Steuerschuld einigermaßen gerecht. Darüber hinaus werden bei unteren Lohnsteuerzahlern Kinderfreibeträge angerechnet und es gilt eine Nullzone, bei der die Besteuerung nicht erfolgt und danach langsam ansteigt.