Ökonomie-Nobelpreis 2015: Motivierende Entscheidung
Der Nobelpreis für Ökonomie, den seit 1968 die schwedische Reichsbank „für die ökonomische
Wissenschaft zum Andenken Alfred Nobel“ vergibt, geht in diesem Jahr an den
69jährigen Briten, der an der USA-Eliteuniversität Princton lehrt: Angus Deaton.
Das Nobelpreiskommittee, das seit 1968 durchaus auch einige Fehlentscheidungen
zu verantworten hat, verdient in diesem Jahr ein Kompliment. Ein Forscher auf den
aktuell gesellschaftlich wichtigen Gebieten „Konsum, Armut und Wohlfahrt“ wird geehrt.
Getrieben von dem Versuch, Analysen auch mit Daten abzusichern, hat er
vor allem das für die gesamte Entwicklung entscheidende Konsumverhalten der privaten
Haushalte nach den sozialen Bedingungen unterschieden erklärt. Einen wichtigen Impuls
gibt er mit seinen Forschungsarbeiten zur Armut in entwickelten und unterentwickelten
Ländern. Wichtig ist auch seine Analyse zum Zusammenhang von Einkommen, Wirtschaftswachstum
und Lebensglück bzw. Lebensunglück.
An zwei Beispielen lässt sich sein
Beitrag zur Aufklärung über die real existierenden ökonomischen Verhältnisse erkennen:
- Einerseits ist der private Konsum, beispielsweise in Deutschland, Triebkraft des wirtschaftlichen Wachstums. Das zeigt die Forderung, den Massenkonsum zu stärken. Andererseits zeigt Deaton, dass es lange Zeit keine plausible Erklärung für das Konsumverhalten gab. Deaton erforscht die individuellen Bedingungen für die Konsumgüterwahl bei gegebenen Einkommen. Damit erklärt er auch das Sparverhalten, das den Teil nicht konsumierten Einkommens ausmacht. Neu an seiner Theorie sind die Konsumbedingungen, die je nach sozialer Lage einbezogen werden. Gegenüber einem armen Haushalt verhält sich eben ein reicher Haushalt völlig unterschiedlich. Unter Berücksichtigung dieser Realität fasst er den gesamtwirtschaftlichen Konsum zusammen. Die Finanzpolitik erhält wichtige Hinweise zur wirksamen Gestaltung der Mehrwertsteuer. Würde heute der ermäßigte Steuersatz in Deutschland von 7 Prozent auf den Normalsteuersatz von 19 Prozent erhöht, dann wären erheblich höhere Verluste bei den einkommensschwachen Haushalten zu erwarten.
- Zum Zusammenhang zwischen Bruttoinlandsprodukt, Wohlfahrt und Lebensglück liefert Deaton provozierende Erkenntnisse. Zum einen zeigt er, dass das, was heute mit dem Bruttoinlandsprodukt gemessen wird, wenig mit gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt zu tun hat. Deshalb muss die Messung verbessert werden. Zum anderen erforscht er den Zusammenhang zwischen Einkommenshöhe und Lebensglück bzw. Lebensunglück. Zusammen mit dem Nobelpreisträger von 2002 Daniel Kahnemann hat er die Bruchstelle erforscht. Steigt bezogen auf die Daten von 2010 das Einkommen über das durchschnittliche Jahresnettoeinkommen in den USA mit 75 000 $, dann nimmt die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben und das emotionale Wohlbefinden kaum zu. Sinkt jedoch das Einkommen unter diese Referenzgröße, dann werden die Gefühle, die sich bei einem Unglück einstellen, intensiver.