H.W. Sinn und R. Hickel: Grexitkontroverse?
ARD: tagesschau.de (29.05.2015)
Pro und
Contra Grexit: Was gegen den Grexit spricht:
"Rückkehr zur Drachme hätte
katastrophale Folgen"
Einen Austritt Griechenlands aus dem Euro
hält Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel von der Uni Bremen für grundfalsch.
Er verlangt ein Sofortprogramm gegen Armut und ein Ende der Sparpolitik.
Von Rudolf Hickel, Forschungsleiter für "Wirtschaft und Finanzen"
am Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW) der Universität Bremen
Sicher -
bei einem Ausstieg Griechenlands aus dem Euro wäre derzeit die Ansteckungsgefahr für
das Eurosystem - vor allem für Italien, Spanien und Portugal - nicht mehr so groß.
Aber ökonomisch hätte die Rückkehr zur Drachme katastrophale Folgen: Durch die massive
Abwertung der Drachme gegenüber dem Euro würden sich die Importe verteuern. Folglich
wäre auch mit einer importierten Inflation zu rechnen. Löhne und Gehälter würden sich
reduzieren, was real zu Lasten der Binnennachfrage führt.
An die Abwertung der
Drachme knüpft sich die Hoffnung auf höhere Erlöse der Exportwirtschaft. Aber in Griechenland
gibt es keine flächendeckend konkurrenzfähige Exportwirtschaft. Diese muss erst aufgebaut
werden.
Außerdem erschwert eine abgewertete Drachme die dringende Bewältigung
des Schuldenbergs von mehr als 180 Milliarden Euro. Wenn die Schulden in Euro zurückbezahlt
würden, müsste eine spezielle Altschuldentilgung aufgelegt werden.
Mit
einem Wort: Mit der Drachme würde Griechenland als Armutsland zementiert.
Zwang zur Sparpolitik stoppen
Statt eines Grexits bedarf
es eines Bündels von Maßnahmen. Vor allem muss der Zwang zur öffentlichen Einsparpolitik
auch nach den negativen Erfahrungen in den vergangenen Jahren gestoppt werden. Der
scheidende Chefökonom des IWF, Oliver Blanchard, hat zu Recht vor den durch die Institutionen
geforderten, viel zu hohen primären Haushaltsüberschüssen gewarnt. Sie erzwingen die
Fortsetzung einer öffentlichen Schrumpfpolitik.
Die Finanzhilfen, die bisher zu 90 Prozent der Bedienung der Gläubiger zugeführt wurden, müssen auf den Aufbau der Wirtschaft konzentriert werden. Für die Altschulden sollte ein eigenes Abwicklungsmodell realisiert werden. Vorrangig muss ein Sofortprogramm gegen Armut gestartet werden. Die griechische Regierung muss schnell den Kampf gegen Steuerhinterziehung und Korruption aufnehmen. Dazu gehört auch der Aufbau eines funktionsfähigen Verwaltungsapparats.
Belastungen sind unterschätzt worden
Die bisherige Politik nach dem Tauschgeschäft "Finanzhilfen gegen massive Senkung
öffentlicher Ausgaben" muss aufgegeben werden. Die Austeritätspolitik hat die
griechische Wirtschaft um 25 Prozent schrumpfen lassen und die Jugendarbeitslosigkeit
auf weit über 50% steigen lassen. Dabei hat wenigstens der IWF Ende Sommer 2013 zugegeben,
dass die belastenden Wirkungen dieser Politik unterschätzt wurden. Auf eine solche
Selbstkritik hofft man bei den politischen Verantwortlichen im Eurosystem vergeblich.
Ökologisch fundiertes Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze und Bekämpfung der
Armut müssen im Mittelpunkt der Rettungspolitik gerückt werden.
http://www.tagesschau.de/wirtschaft/grexit-contra-101.html
Pro Grexit
Hans Werner Sinn: Was für den Grexit spricht: Griechenland
muss wieder wettbewerbsfähig werden