Bremen-Nord
Die Bewertung Bremen-Nord ist durch einen Widerspruch gekennzeichnet. Einerseits wird die Region mit den drei Stadtteilen Burglesum, Vegesack und Blumenthal immer noch als ökonomisches Krisenzentrum wahrgenommen. Dafür steht der massive Arbeitsplatzabbau, der im Zuge der Einbrüche bei der industriell-maritimen Produktion realisiert worden ist. Die Beispiele sind der Zusammenbruch der Vulkan AG 1997 sowie in jüngster Zeit Arbeitsplatzverluste bei der Norddeutschen Steingut sowie die Schließung der Bremer Baumwollkämmerei. Andererseits finden die vielen Versuche in den letzten Jahren, die ökonomische, ökologische und soziale Zukunftsfähigkeit zu stärken, statt. Gelegentlich entsteht der Eindruck, die Distanz zwischen dem Bremer Zentrum und den drei Stadtteilen sei zu weit, um diese Anstrengungen wahrzunehmen. Also, zur Stärkung der objektiven Urteilsfähigkeit über den Bremer Norden ist Nachhilfe angesagt. Aber auch Larmoyanz aus Bremen-Nord überdeckt die eigenen Chancen zur positiven Entwicklung. Bremen-Nord vermarktet viel zu wenig die eigenen Vorschläge zur Zukunftsgestaltung und damit den Kampf gegen die sozial-ökonomische Krise.
Der realistische Blick und die faire Bewertung der Lage und der Aktivitäten zur
Stärkung des Bremer Nordens lassen die belastenden Vorurteile in sich zusammenbrechen:
Erstens verfügt diese Region östlich der Weser und auf beiden
Seiten der Lesum über regionale, nationale und vor allem international erfolgreiche
Unternehmen. So liest sich die Mitgliedsliste der Firmen im „Unternehmensforum Bremen-Nord“
wie das Who is Who von erfolgreichen, mit hoher Innovationskraft ausgezeichneten Unternehmen.
Mit diesen Erfolgen wird viel zu wenig geworben. Immerhin rückt die jährliche Verleihung
eines Unternehmenspreises die „hidden champions“ über die Grenzen des Stadtstaats
Bremen ins Rampenlicht.
Zweitens gibt es auf dieser Standortsubstanz durch wettbewerbsfähige Unternehmen viele Anstrengungen, Bremen-Nord ökonomisch, ökologisch und sozial voranzutreiben. Dazu gehört auch die Tatsache, dass auf dem Vulkangelände wieder über 50 Unternehmen mit mehr als 1 500 Beschäftigten tätig sind. Auch auf dem BWK-Gelände zeichnet sich eine sinnvolle künftige Nutzung ab.
Gewiss, auf Großansiedelungen in Bremen-Nord strategisch zu setzen, wäre sträflich
naiv. Vielmehr müssen kleine und mittlere Unternehmen, Start ups, das Handwerk, der
Einzelhandel und die Dienstleistungsanbieter etwa im Gesundheitssystem gestärkt werden.
Gebraucht wird ein Leitbild mit Hinweisen zur mittelfristigen Strategie Bremen-Nord.
Es gibt bereits viele gute Vorschläge, die jedoch stärker koordiniert werden müssen.
Im Mittelpunkt sollte das Ziel stehen, die komparativen Standortvorteile auch auf
neue Ansiedlungsflächen zu konzentrieren.
Dazu zählt beispielsweise die koordinierte Produktion gesundheitlicher Dienstleistungen. Das „Klinikum Bremen-Nord“ sowie das vorhandene Angebot an leistungsfähigen Arztpraxen bilden einen Schwerpunkt. Dazu kommt die „Jacobs University Bremen“, die einen riesigen Imagegewinn für die Region gebracht hat. Hier sollte der Science Park, vergleichbar dem Wissenschaftspark im Umfeld der Universität Bremen als Chance für Neu- und Ausgründungen von wissenschaftsfundierten Unternehmen genutzt werden. Dazu kommen der Industriepark in der Nähe von Arcelormittal sowie das Industrie- und Logistikzentrum an der Weser. Neuere Studien zeigen, dass kleinteilige, thematisch zentrierte Produktionsparks, die vernetzt werden, große Chancen haben. Infrastrukturelle Qualität im Bereich des Verkehrs und der Verknüpfung von Wohnen und Arbeiten erhöhte die Ansiedlungsbereitschaft vor allem neuer Unternehmen.
Bremen-Nord verfügt jedoch über ein eindrucksvolles Alleinstellungsmerkmal. Es sind die wahrhaft blühenden Landschaften in den großzügig angelegten Parks. Sie bieten nicht nur für den Tourismus, sondern auch für Vereinbarkeit von attraktivem Wohnen und Arbeitsplatz eine Chance. Diese gestaltete Produktivkraft Natur lässt sich für den Tourismus auch aus der Bremer Stadt besser verwerten. Über den Tagestourismus hinaus könnten Übernachtungen attraktiv gemacht werden. Am Konzept „Bremen-Nord by Night“ muss noch gearbeitet werden. Ein Highlight sollte geschaffen werden. Das derzeit stagnierende Ausstellungsprojekt Spicarium im Alten Speicher in Vegesack ließe sich durchaus zu einem Erlebnismuseum auf der Wissenschaft-Tourismus-Achse Universum in Bremen und Klimahaus in Bremerhaven ausbauen. Schwerpunkte könnten sein: Anknüpfend an den Saharaforscher Gerhard Rohlfs ein Ausstellungsteil „Wüste und Klimawandel“ zusammen mit dem heute bereits durch die Lürssen-Werft unterstützten maritimen Bereich, der auch die Arbeit der Werften und künftigen Hafensysteme beleuchtet.
Schließlich sollten die Wohnverhältnisse in Bremen-Nord ins Visier genommen werden. Wohnen in Bremen- Nord ist in vielen Gebieten attraktiv. Es gibt aber auch soziale Brennpunkte, die übermächtig oftmals zum negativen Image beitragen. Wie schwierig auch immer, diese müssen abgebaut werde. Dazu gehört auch das Angebot an attraktivem, bezahlbarem Wohnraum. Eine große Chance für ein fortschrittliches Konzept Wohnen und Arbeiten im Vegesacker Hafen ist durch das Haven Höövt-Monstrum verschenkt worden. Aus Fehlern lernen, heißt, ein attraktives Wohnangebot mit angemessenem Dienstleistungsgewerbe zu verknüpfen. Auch aus den schweren Fehlern, die mit der Grohner Düne begangen wurden, sollte gelernt werden. Die städtebaulich erfolgreiche GEWOBA kam beim Verkauf der Großanlage nicht zum Zuge. In einem stadtplanerischen Risikobereich Wohnanlagen an eine private Investorengruppe verkaufen zu müssen, sollte sich nicht wiederholen. Deshalb verdient die durch den Bremer Senat angekündigte Gesetzesinitiative für den Erwerb von Wohnungen in ange-spannten Stadtteilen Unterstützung.
Also, in und zu Bremen-Nord gibt es spannende und zugleich Ideen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist der vorurteilsfreie, unverstellte Blick auf die Entwicklungschancen und vor allem der Wille zum Handeln. Oftmals wird gesagt, die Namensgebung „Bremen-Nord“, die auf 1939 zurückgeht, müsse geändert werden. Neue Labels wie „Bremen im aktiven Norden“ werden gehandelt. Dieser Namenswechsel ist eigentlich überflüssig. Viel wichtiger als das Etikett ist die Substanz von Bremen-Nord. Dazu gehört es, ein ökonomisch, ökologisch, soziales Leitmodell für Bremen-Nord zu entwickeln und umzusetzen. Im Stadtstaat Bremen muss allerdings eine klare Priorität für den durch Niedersachsen getrennten Städteteil gesichert werden. Die Ankündigung durch Bürgermeister Böhrnsen, einen kompetenten und entscheidungsrelevanten Senatsbeauftragten für Bremen-Nord zu etablieren, der gegenüber den einzelnen Ressorts über Durchsetzungskraft verfügt, sollte in der soeben begonnenen Legislaturperiode der Bremischen Bürgerschaft durchgesetzt werden.