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Die europäische Bankenunion kommt – Kritischer Blick

Oct 11, 2014
Umsetzung der Bankenunion

Übersicht

1. Einordnung des Gesetzesentwurfs: Unsicherheiten und Defizite
2. Bankenunion ja, aber wirksamer
3. Das System Bankenunion im Überblick
4. Kritische weiterführende Hinweise
5. Ein vorläufiges Fazit

1. Einordnung des Gesetzesentwurfs: Unsicherheiten und Defizite
Der zur Diskussion stehende Entwurf konzentriert sich auf die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bankenunion mit den drei Säulen einheitliche Aufsicht, Abwicklung und Sanierung sowie Einlagensicherung. Diese Richtlinie zu einem „Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen“ ist das Ergebnis der Entscheidungen im Zusammenspiel zwischen dem Europäischen Rat mit dem Europäischen Parlament. Hinzukommt der „Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung von Beiträgen aus den einheitlichen Abwicklungsfonds und über die gemeinsame Nutzung dieser Beiträge“. Da die am Abwicklungsmechanismus teilnehmenden Länder dafür zuständig sind, die auf nationaler Ebene erhobenen Beiträge auf den einheitlichen Abwicklungsfonds zu übertragen, ist ein entsprechendes Abkommen beschlossen worden. Der hier vorgelegte „Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 21. Mai 2014“ regelt die deutsche Umsetzung. Bei der Übereinkunft handelt es sich um ein zwischen den EU-Mitgliedsländern als Vertragsparteien – außer Großbritannien und Schweden – vereinbartes Abkommen. Durch dieses intergouvernementale Agreement (IAG) sind der Europäische Rat und das Europäische Parlament von der Festlegung der Regelungen zur nationalen Umsetzung des Abwicklungsregimes ausgeschlossen worden. Damit stellt sich auch die Frage, inwieweit dieses zwischenstaatliche Übereinkommen Möglichkeiten bietet, Regelungen der Rechtsverordnung zu konterkarieren.

Die Realisierung der Bankenunion in Deutschland im Bezug auf die EU-Richtlinie folgt mit wenigen Ausnahmen dem Grundsatz „1 zu 1“. In Deutschland bereits bestehende Gesetze etwa zur Sanierung und Abwicklung von Banken sowie des durch die Banken über eine Abgabe finanzierte Restrukturierungsfonds werden in das Gesetz nach der Vorgabe der EU-Richtlinie zur Bankenunion überführt. Durch den Grundsatz „1 zu 1„ ist in diesem Gesetz ein tiefgreifender Konflikt angelegt. Einige grundlegende Regulierungen nach der EU-Richtlinie stehen im Widerspruch zu parlamentarisch demokratisch Grundauffassungen in Deutschland.

Während die EU alle Banken ohne funktionale Unterscheidung und ohne Rücksicht auf spezifische Sicherungssysteme formal einheitlich behandelt, besteht zur Fortsetzung des erfolgreichen Drei- Säulen-Modells in Deutschland ein breiter politischer Konsens. Die Entlastungen bei der grundsätzlichen Beitragshöhe zur Finanzierung des Abwicklungsfonds reduzieren sich auf „kleine“ Banken. Damit werden jedoch die nicht darunter fallenden Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit ihren eigenen Institutssicherungssystemen strukturell diskriminiert. Die Bundesregierung versichert zwar gegenüber der Entschließung des Bundesrats sich „auf europäischer Ebene bei der Bankenabgabe weiter für Erleichterungen für kleine Banken und eine angemessene Behandlung von Förderkrediten“ einzusetzen. Es geht jedoch nicht nur um kleine Banken, sondern um die in der Region verankerten Banken im System der Sparkassen und Volksbanken, Bei der derzeitigen Bewertung dieses Entwurfs muss vom Risiko, dass die Bundesregierung die wichtigen Regelungen nicht durchsetzt, ausgegangen werden. Dies gilt auch für die öffentlich gesicherten Förderbanken.

2. Bankenunion ja, aber wirksamer
Die zügige Schaffung einer Bankenunion ist aus ökonomischen, geldpolitischen, finanzpolitischen und ordnungspolitischen Gründen sinnvoll.

- Neben der „Bail-out“-Klausel, die gemeinschaftliches Handeln im Fall der Krise eines Mitgliedslandes grundsätzlich ausgeschlossen hat, war ein weiterer Urfehler des Maastrichter Vertrags der komplette Verzicht auf die Schaffung eines stabilen Bankensystems als Basis des Monetärsystems. Schon damals herrschte die Vorstellung, die Märkte für Banken seien stabil. Die derzeitigen Aktivitäten zu einer Bankenunion zielen auf den Abbau dieses Defizits. Es geht um den notwendigen Beitrag zur Stabilisierung der Finanzmärkte.

- Eine erfolgreiche Geldpolitik durch die Europäische Zentralbank (EZB) ist auf ein funktionierendes Bankensystem angewiesen. Deshalb hat die EZB mir ihrer Politik neben der angemessenen Geldversorgung versucht, wenigstens ansatzweise die Finanzmärkte im Eurosystem zu stabilisieren. Heute noch funktioniert der geldpolitisch wichtige Interbankenmarkt wegen fehlenden Vertrauens zwischen den Banken als Folge der Finanzmarktkrise nicht. Erst wenn die EZB durch die Bankenunion massiv entlastet wird, kann sie sich wieder auf die klassische Politik der Geldmengensteuerung zurückziehen.

- Mit einer funktionierenden Bankenunion, die vor allem präventiv Zusammenbrüche von Banken verhindern muss, lässt sich der Teufelskreis steigender Staatsschulden zur Rettung von systemrelevanten Finanzinstituten durchbrechen. In vielen Euroländern – etwa Irland und Spanien – sind die Staatsschulden wegen geplatzter Spekulationsgeschäfte von Banken, die gerettet werden mussten, explodiert.

- Durch den Abwicklungsfonds, in den die Finanzinstitute mit einem jährlichen Beitrag bzw. Sonderbeiträgen einzahlen, sollen künftig die Steuerpflichtigen von der Finanzierung der Bankenrettung so hoch wie möglich entlastet werden. Deshalb gilt das Prinzip der Eigenfinanzierung: Banken, die wegen ihrer Geschäftspolitik auf Rettungsgelder angewiesen sind, sollen Hilfe aus diesem Fonds erhalten.

- Eng zusammen damit hängt das Ziel der Bankenunion, künftig rücksichtsloses „Moral Hazard“-Verhalten der Banken zu unterbinden. Ein wichtiges Instrument ist die Beteiligung der Anteilseigner und Gläubiger bei einer Bank in Schieflage sowie die Finanzierung des Abwicklungsfonds. Damit soll die Erwartung, beim Absturz einer Bank infolge von hoch riskanten Geschäften, wird schon der Staat einspringen, zumindest ansatzweise verbannt werden. Allerdings wird das individualistische „Moral-Hazard“-Verhalten, das die absichtsvoll in Kauf genommene Insolvenz unterstellt, völlig überschätzt. Entscheidend ist das System der Rentabilitätsmaximierung im Klima aggressiver Konkurrenz auf den Finanzmärkten. Im Mittelpunkt stehen die Geschäfte mit spekulativen Finanzmarktprodukten. Werden diese reguliert, ja auch zum Teil verboten, werden dem unverantwortlichen Fehlverhalten die riskanten Objekte entzogen.

Grundsätzlich ist die Schaffung einer umfassenden Bankenunion dringend erforderlich. Insoweit verdient der Entwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie Anerkennung. Allerdings gibt es noch viel Klärungsbedarf in wichtigen Details. Bei der Bändigung der Banken muss risikodifferenziert und unter Minimierung bürokratischen Aufwands vorgegangen werden. Kleine Banken und Bankengruppen mit funktionierenden Institutseigensicherungssystemen sind anders als Großbanken mit spekulativem Investmentbanking zu behandeln.

Oftmals wird übersehen: Die geplanten Ziele, Strukturen und Instrumente der Bankenunion sind zwar eine wichtige Voraussetzung. Sie reichen jedoch nicht aus, die Finanzmärkte zu stabilisieren. Vorausgesetzt ist eine risikodifferenzierte, wirksame Vorsorge mit Eigenkapital, die derzeit durch Basel III allerdings unzureichend geregelt ist.

3. Das System Bankenunion im Überblick
Aus der EU-Richtlinie und dem dazu hier vorgelegten Entwurf, die Institutionen, Funktionen und Interdependenzen herauszudestillieren, ist nicht einfach. Der Vorwurf unzureichender Transparenz, der eine rationale Diskussion belastet, sollte entkräftet werden. Dem Verdacht, es würde ein bürokratisches, vielköpfiges Monster geschaffen, muss entgegengewirkt werden. Ohne hier auf die notwendigen Ausdifferenzierungen einzugehen, werden die drei Säulen betont:

- Die erste Säule ist die gemeinsame Aufsicht: Single Supervisory Mechanism (SSM). Die Vergabe dieser Aufgabe an die Europäische Zentralbank (EZB), für die institutionelle Unabhängigkeit zugesichert wird, ist und bleibt im Verhältnis zu ihrer Aufgabe Geldpolitik umstritten. Die freiwillige Beitrittsmöglichkeit anderer EU-Länder zum SSM hält den Weg zu einer Bankenunion für die gesamte EU offen.

Die EZB übernimmt direkt die Aufsicht (SSM) bei Banken ab einer Mindestbilanzsumme von 30 Mrd. € bzw. einer Bilanzsumme, die 20% des Bruttoinlandsprodukt übersteigt, oder aber mit intensiven grenzüberschreitenden Aktivitäten. Die jeweils drei größten Banken ebenfalls dabei. Von den 6 000 Eurobanken werden direkt über den SSM im Haus der EZB 128 Banken beaufsichtigt. Diese vereinen 85% der Aktiva der Bankbilanzen auf sich. In Deutschland stehen 21 Banken direkt unter der EZB-Aufsicht. Die anderen Institute werden indirekt über die nationalen, jedoch harmonisierten Aufsichtsbehörden kontrolliert. Der Aufbau der direkten Aufsicht ist vorangeschritten. Offiziell beginnt die Überwachung im November 2014. Vorgeschaltet ist eine umfassende Bankenüberprüfung (Comprehensive Assessment). Dies besteht aus drei Elementen:
Risikoprüfung, Bilanzprüfung zum Aufspüren von Altlasten und Stresstest. Beim Stresstest werden die Folgen etwa eines Verfalls der Aktienkurse und weitere Zinssenkungen auf das Eigenkapital der Banken geschätzt. Der vorgesehene Zeitraum, in dem die Banken zum Stresstest Stellung nehmen können und Maßnahmen zur Stärkung des Eigenkapitals vorschlagen dürfen, ist viel zu kurz.

- Mit der zweiten Säule wird der gemeinsame Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Banken in Schieflage geregelt: Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD). Ziel ist es, das materielle Abwicklungsrecht zu harmonisieren. Darauf baut der einheitliche Abwicklungsmechanismus Single Resolution Mechanism (SRM), der für alle Mitglieder der EU-Aufsicht (SRM) gilt, auf. Die finanzielle Basis bildet der Single Bank Resolution Fund (SBRF) mit einem über zehn Jahre zu erreichenden Zielwert von 55 Mrd. €. Insgesamt sind die die Regelungen zur Beteiligung der Anteilseigener und Gläubiger im Fall der Rettung einer Bank (Bail-in) sowie der Hilfe durch den über Beiträge der Banken finanzierten Europäischen Abwicklungsfonds.

- Die dritte Säule stützt eine vertiefte Harmonisierung der Einlagensicherung, die derzeit für die Einleger je Kunde und Bank 100 000 € garantiert. Diese Deposit Guarantee Schemes (DGS) haben die wichtige Aufgabe, das Vertrauen vor allem der Massenkunden in das Bankensystem zu stabilisieren. Hiervon hängt entscheidend ab, ob ein Banken-Run im Falle sich verbreitender negativer Meldungen verhindert werden kann.

4. Kritische weiterführende Hinweise
Mit dem Entwurf zur geplanten Bankenunion wird versucht, die ökonomischen, monetären, fiskalischen und ordnungspolitischen Anforderungen einzulösen. Bei der Umsetzung zeigen sich jedoch deutliche Unsicherheiten und Defizite. Es stellt sich die Frage, ob damit aggressive Zockerbanken gebändigt und künftig Finanzmarktkrisen im Handlungsbereich der Bankenunion vermieden werden können. Lassen sich die Risiken vor allem im Zuge des spekulativen Investmentbanking, der OTC-Geschäfte mit Derivaten sowie die riskante Größe der Banken so beschränken, dass der Staat nicht mehr der „too big to fail“-Pression unterliegt und keine Ersthilfe mehr leisten muss? Die Architektur der Bankenunion bildet sicherlich eine wichtige Basis. Ohne eine grundlegende neue Finanzmarktarchitektur jedoch büßt die Bankenunion an Wirkungskraft ein. Im Zentrum steht daher die Transformation des Bankensystems in Richtung Rückkehr zu den dienenden Funktionen für die Realwirtschaft und die Gesellschaft.

Einbettung der Bankenunion
Die Bankenunion konzentriert sich auf die effiziente Aufsicht, Frühwarnsysteme, die Einlagensicherung und vor allem auf die Sanierung und Abwicklung von Banken in Schieflage sowie einem durch das Bankensystem finanzierten Rettungsfonds. Die Bankenunion ist auf Voraussetzungen angewiesen:

- Vor allem die systemisch bedrohlichen Spekulationsgeschäfte müssen - bis hin auch zum Verbot - reguliert werden. Die Bankenunion kann dann nur funktionieren, wenn dem „Finanzalchemismus“, also der Produktion von hoch riskanten Spekulationsinstrumenten, die sich am Ende als wertlos erweisen, Einhalt geboten wird. Nicht nur die Abtrennung des spekulativen Investmentbankings ist entscheidend. Vielmehr müssen deren Geschäftsfelder ausgetrocknet werden.

- Die Banken müssen ihre Eigenkapitalvorsorge und verfügbare Liquidität für den Krisenfall stärken. Deshalb ist das System Basel III in der Umsetzung der EU-Richtlinie (Capital Requirements Directive, CRD IV) eine wesentliche Voraussetzung für die Stabilität der Bankenunion. Je besser die Absicherung mit Eigenkapital gegenüber risikodifferenzierten Aktiva gelingt, umso geringer fällt der Regulierungsaufwand innerhalb der Aufsicht aus. Mit Basel III ist die Risikobewertung von Aktiva verschärft und die Anforderungen an erforderlichem Mindesteigenkapital sind verstärkt worden (im Normalfall 8%). Zu überprüfen wäre: Erhöhung der Eigenkapitalquote, Berücksichtigung der Staatsanleihen als Risikoaktiva, Stärkung der Regeln zur Liquiditätssicherung sowie die Erhöhung der Leverage Ratio, mit der nach Basel III der gesamte Verschuldungsgrad gegenüber der Bilanzsumme nur auf 3% beschränkt wird.

- Schattenbanken, die bankenähnliche Geschäfte ohne Lizenz und damit Aufsicht wahrnehmen, bilden ein riesiges Bedrohungspotenzial. Dazu gehören Hedgefonds, unterschiedliche Investitionsfonds, Geldmarktfonds und andere Zweckgesellschaften. Die bisherige Auffassung der EU-Kommission, die Schattenbanken als nützliche Ergänzung des Finanzierungsystems zu behandeln, ist eine unzulässige Verharmlosung. Um mit der Bankenunion künftig Finanzmarktkrisen zu vermeiden, sollte die EU unverzüglich die Verbandlungen der regulierten Finanzinstitute mit Schattenbanken abbauen. Nur dadurch wird bei einem Zusammenbruch einer Schattenbank verhindert, dass über die lizensierten Banken ein Dominoeffekt zustande kommt.

Vorschläge zur Stärkung der Bankenunion
1. Die Übertragung des Aufsichtssystems an die EZB war wirtschafts- und ordnungspolitisch ein Fehler. Die Geldpolitik muss gegenüber der Bankensaufsicht völlig abgeschottet sein. Hier das jüngste Beispiel eines Interessenwiderspruchs: Die EZB nutzt künftig verbriefte Forderungen (Asset Backed Securities) als notenbankfähige Sicherung. Sie kauft die verschiedenen Arten von „Collartal“ und bietet den verkaufenden Banken Liquidität. Dabei ist der Druck groß, gegen die derzeitige Versicherung durch die EZB auch risikoreiche, weniger seriöse Forderungsverbriefungen zu kaufen. Jedenfalls werden die ABS, die in der jüngsten Finanzmarktkrise als Brandverursacher und Brandbeschleuniger galten, durch ihren Einsatz für die Geldpolitik aufgewertet. Die Kontrolle der Risikoanfälligkeit dieser ABS liegt jedoch bei der EZB im Bereich der Aufsicht. Interessenkonflikte zwischen Geld- und Aufsichtspolitik sind durchaus im Bereich des Möglichen. Da sich die Kompetenzzuweisung an die EZB nicht mehr rück-gängig machen lässt, ist eine absolute Trennung der Geld- und Aufsichtspolitik durch eine unabhängige Kommission sicherzustellen.

2. Die Planung des Zielwerts für den Abwicklungsfonds, der in zehn Jahren erreicht werden soll, ist gemessen an den bisherigen Finanzleistungen für zu rettende Banken im Euroland mit 55 Mrd. € viel zu niedrig. Der Betrag leitet sich aus einem Prozent der geschätzten Einlagen, die gesichert sind, ab. Dagegen steht allein durch die Deutsche Bank ein Bilanzsumme von 74 Mrd. €. Immerhin sah in Deutschland der Banken-Restrukturierungsfonds, in den seit 2011 die Banken einzahlen, die Zielmarke von über 70 Mrd. € vor. Übrigens geht der Bundesrechnungshof auf der Basis der bisherigen Einzahlpraxis davon aus, dass der Zielwert erst in 100 Jahren erreicht werden kann. Zwischen 2011 und 2013 flossen nur 1,8 Mrd. € in den Fonds.

Die Gesamtsumme des EU-Fonds sowie die Beteiligung der Anteilseigener und Gläubiger über die künftige Haftungskaskade sind so angelegt, dass im realistischen Krisenfall der Rettungsfonds nicht ausreichen wird. Von einer vertrauensbildenden Maßnahme kann also nicht die Rede sein. Das Ziel, Steuerpflichtige aus der Finanzierung rauszuhalten, ist von Anfang gefährdet.

3. Stellt man die Frage nach dem Geschäftsmodell einer Bank und den damit verbundenen Risiken in der EU-Richtlinie, dann wird deutlich: Unterstellt wird ohne Rücksicht auf die Größe, die spezifischen Funktionen, die Risiken sowie die Rolle im Wettbewerb ein Durchschnittsmodell. Dadurch wird dem erfolgreichen Drei-Säulen-Modell in Deutschland mit Sparkassen, Genossenschaftsbanken und privaten Banken nicht Rechnung getragen. Der betonte Grundsatz für die Bankenunion, je nach erzeugtem Risiko die Bank zu bewerten, wird nicht entsprochen. Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die in der Region vor Ort aktiv sind, verfügen über einen doppelten Vorteil: Sie erzeugen nicht in eigener Regie die systemgefährdenden Risiken einerseits, verfügen jedoch andererseits über eine anspruchsvolle, eigene Institutssicherung. Damit ist eine Einzahlung in einen Fonds im Ausmaß der potenziell erzeugten Risiken nicht zu rechtfertigen. Würden diese beiden Banktypen „weg“-vergemeinschaftet, dann würden deren dienende Funktionen massiv eingeschränkt. Auch die vorgesehene Beitragspflicht für den Abwicklungsfonds durch die Förderbanken, die eigens abgesichert sind, ist nicht zu akzeptieren.

Die Bundesregierung, die sich bisher auf der EU-Ebene nicht durchsetzen konnte, verspricht, sich weiterhin für „Erleichterungen kleiner Banken und eine angemessene Behandlung“ einzusetzen. Dieses Ziel zu realisieren ist wichtig. Jedoch, die für die kleinen Banken vorgesehenen niedrigeren Beiträge bringen für einen Großteil vor allem der Sparkassen keine Entlastung. Eine kleine Bank liegt vor, wenn ihre Bilanzsumme 1 Mio. € nicht übersteigt. Dazu kommt die Bemessungsgrundlage als Basis der Abgabe (Eigenkapital und gedeckte Sicherheiten), die nicht höher als 300 Mio. € liegt. Über diese Ausnahme reduziert sich bei den kleinen Banken die Abgabe bis zu 70%. Es liegen jedoch 80 % der Sparkassen (durchschnittliche Bilanzsumme 2,5 Mio. €) und 20% der Volksbanken deutlich über dem Schwellenwert der Bilanzsumme.

Damit gilt: So lange das Drei-Säulen-Modell nicht gesichert wird, sollte die Zustimmung zur Bankenunion unter Vorbehalt gestellt werden. Dies hat nichts mit nationaler Engstirnigkeit zu tun. Das Drei-Säulen-Modell, durch das die Ursachen und Folgen der Finanzkrise in Deutschland reduziert werden konnten, darf nicht durch die EU demontiert, sondern sollte zum Leitbild einer künftigen Bankenstruktur erkoren werden.

4. Mit dem Entwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie entstehen Rechtsunsicherheiten:

 (1) Die Bemessung der Jahres- und Sonderbeiträge zur Finanzierung des Abwicklungsfonds legt die Bundesregierung im Rahmen einer Rechtsverordnung, der der Bundesrat zustimmen muss, fest. Von der noch offenen Präzisierung im Rahmen der Rechtsverordnung hängt für die Banken viel ab.

(2) Das geplante „Gesetz zur Übertragung von Beiträgen auf den einheitlichen Abwicklungsfonds“ basiert auf einer intergouvernementalen Übereinstimmung, der außer Schweden und Großbritannien alle EU-Mitgliedsländer zugestimmt haben. Aus diesem Regulierungsbereich sind der EU-Rat und das Europäische Parlament herausgehalten worden. Nicht akzeptabel ist, dass die Übereinkunft eine massive Abweichung von den Vorgaben der EU-Richtlinie eröffnet. Zum § 9 heißt es: „Wer-den die Bail-in-Regeln so geändert, dass sie zu einem weniger strikten Ergebnis als in der aktuellen SRM-Verordnung vorgesehen führen, kann sich eine der Vertragsparteien im Einklang mit dem Völkerrecht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen und die dafür vorgesehenen einseitigen völkerrechtlichen Rechtshandlungen vornehmen, die bis zur Aussetzung oder Beendigung des Übereinkommens reichen können.“

(3) Bisher gibt es keine einheitliche Regelung der steuerlichen Behandlung der Abgaben der Banken in den Restrukturierungsfonds. Einige Mitgliedsländer wollen den Abzug bei der Besteuerung zulassen. Sieht ein Land die Abzugsfähigkeit vor, die in einem anderen Land nicht möglich ist, dann kommt es zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den nationalen Bankenstandorten. Hier ist einheitlich die Möglichkeit, die Abgaben abzusetzen, zu verhindern. Denn sonst würde über diesen Steuerverzicht am Ende der Steuerzahler indirekt durch den Fonds zur Rettung von Banken belastet.

5. Ein vorläufiges Fazit
Mit der EU-Richtlinie zur europäischen Bankenunion werden zentrale institutionelle und instrumentelle Voraussetzungen zur Stabilisierung des gesamten Finanzsystems mit dem Ziel Systemrisiken zu vermeiden geschaffen. Allerdings sind weder die einheitliche Aufsicht, Abwicklung und Sanierung sowie Einlagensicherung, die drei Säulen des Bankensystems, stabil genug.

Eine Weiterentwicklung vor allem durch die Überwindung von Kompetenzwirrwarr, Widersprüchen und Unbestimmtheiten ist erforderlich.

Im Mittelpunkt der weiteren Stärkung des Bankensystems stehen:
1. Die direkte Aufsicht durch die Europäische Zentralbank muss institutionell und personell gegen geldpolitische Vorgaben, die zur Aufsicht im Widerspruch stehen können, streng abgetrennt werden.

2. Die vorgesehene Haftung durch die Eigentümer und Gläubiger der Banken (Bail-in) darf nicht durch politisch opportunistische Entscheidungen zugunsten vor allem der Großbanken gelockert werden.

3. Das geplante Zielvolumen des Abwicklungsfonds mit 55 Mrd. €, der durch Abgaben der Banken finanziert wird, fällt gemessen an den auch künftig vorhandenen Risiken zu niedrig aus. Auch wegen anderer Vorgaben droht am Ende die Beteiligung der Steuerzahler an der Finanzierung zu rettender Banken.

4. Die Steuerabzugsfähigkeit der Bankenabgabe sollte in allen Ländern einheitlich untersagt werden. Dadurch wird verhindert, dass am Ende durch Steuerverzichte vor allem bei Großbanken indirekt eine öffentliche Mitfinanzierung erfolgt.

5. Es sind heute vor allem Überkapazitäten des Bankensystems, die den Druck, Erträge durch riskante Geschäfte erzielen zu müssen, erhöht. Deshalb muss auch die Frage nach der Gesamtstruktur des Bankensystems aufgenommen werden.

6. Die geplante Bankenunion widerspricht ihrem Gründungsprinzip, Risiken erzeugende Banken auch durch entsprechend angemessene Abgaben an den Abwicklungsfonds zu bändigen. Dies gilt insbesondere für einen Großteil der Sparkassen und einigen Volksbanken. Einerseits lösen diese Institute vor Ort im Unterschied zu den Großbanken keine Systemrisiken aus. Andererseits verfügen sie über ein stabiles Einlagensystem, das weit über den generell durch die EU vorgesehenen Einlagenschutz hinausgeht. Unter die nach den derzeit vorgegebenen Kriterien definierten „kleinen“ Banken, die Nachlässe bei den Abgaben bis zu 70% erhalten, fallen viele Sparkassen und etliche Genossenschaftsbanken nicht. Deshalb droht eine Diskriminierung einer stabilen Säule des deutschen Bankensystems.

7. Dem Gesetzeswerk auf der Basis der EU-Richtlinie und des intergouvernementalen Abkommens fehlt ein Leitbild für ein zukunftsfähiges Bankengeschäftsmodell. Banken werden, ohne ihre dienenden Funktionen zu stärken, in ein allgemeines System zur Reduzierung systemischer Finanzmarktrisiken eingespannt.

Last modified: Dec 16, 2018

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