König Fußball im Steuerstaat
Die Entscheidung des kleinsten Bundeslandes, künftig die Rechnung über die Kosten für zusätzliche Polizeieinsätze bei Risikospielen an die Deutsche Fußball Liga (DFL) zu schicken, richtet sich nicht, wie oft behauptet wird, gegen den SV Werder. Niemand will, dass der Erstligist an der Weser diese Rechnung begleicht. Erforderlich ist vielmehr eine generelle Lösung im Gesamtsystem der Deutschen Fußball Liga. Allerdings versucht die DFL, diese Debatte durch autoritäre Strafaktionen zu ersticken. Obwohl es sicherlich vielen Fans weh tut, der DFL und dem Deutschen Fußball-Bund sei Dank für die autoritäre Verlegung des EM-Qualifikationsspiels gegen Gibraltar im November sowie der Androhung einer generellen Länderspielsperre für das Weserstadion. Diese Verbandspolitik mit teilweise vordemokratischen Argumenten grenzt an Erpressung. Da schimmert wieder einmal der Staat im Staat durch, der allerdings bei der Finanzierung der Kosten für die Außensicherung der Stadien auf die Steuerzahler zurückgreift. Das DFL-Bollwerk zum Schutz der Finanzierungsprivilegien bekommt jedoch bereits Risse. Zumindest unter vorgehaltener Hand wird der Alleingang Bremens aus anderen Bundesländern gelobt. In Umfragen erhält der Noch-Bremer Alleingang überragende Zustimmungswerte.
Der Streit hat immerhin dazu beigetragen, der Öffentlichkeit wichtige Fakten bekannt zu machen. Nach Angaben der „Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS)“ sind in der Saison 2012/13 gut 1,27 Millionen Arbeitsstunden für die Polizei sowie 428 000 Stunden für die Bundespolizei, die für die Anreise der Fans verantwortlich ist, eingesetzt worden. In einer internen Rechnung kalkulieren Regierungskreise in Baden-Württemberg für die Gesamtkosten pro Spielzeit über 90 Millionen €.
Worum geht es in diesem Streit? Niemand bestreitet ernsthaft, dass die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit eine Kernaufgabe des Staates ist. Öffentliche Sicherheit ist ein unteilbares öffentliches Gut, das der Staat mit seinem Gewaltmonopol bereitstellt. Weniger Sicherheit mit dem Ziel der Kostensenkung geht nicht. Deshalb führt der durch den Innenminister Ralf Jäger in Nordrhein-Westfalen eingebrachte Vorschlag, die Kostenlast über den massiv eingeschränkten Einsatz von Polizei zu senken, in die Sackgasse der unkontrollierten Gewalt. Nein, eine Reduzierung der gewährleisteten öffentlichen Sicherheit macht keinen Sinn. Vielmehr geht es um die Frage, an wen und in welchem Umfang die Rechnung vor allem bei zusätzlichem Polizeiaufgebot für Hochsicherheitsspiele geht. Zu unterscheiden ist zwischen den Kosten der Grundsicherung und den zusätzlichen Kosten bei bürgerkriegsähnlichen Krawallspielen. Die Grundsicherung ist eine allgemeine hoheitliche Aufgabe des Staates. Allgemeine Staatsaufgaben werden mit Steuern finanziert. Denn Steuern sind allgemeine Entgelte, die ohne individuelle Gegenleistung für staatliche Aufgaben einzusetzen sind. Auch derjenige, den Fußball nicht interessiert, finanziert mit. Schließlich könnte er in der Innenstadt oder am Bahnhof in eine Risikozone geraten. Im Unterschied zur allgemeinen Steuerfinanzierung ist das Finanzierungsinstrument Gebühren für die Kosten des deutlich erhöhten Polizeieinsatzes bei hoch riskanten Spielen zu nutzen. Als Vertreter des Gesamtsystems des Ligafußballs zahlt der DFL eine nutzerbezogene Gebühr. Denn Gebühren sind spezielle Entgelte, die durch den gesamtverantwortlichen Verursacher übernommen werden. Hier gilt das Verursacherprinzip. Als Reaktion auf Gewaltbereitschaft verursacht das System DFL einen stärkeren Polizeieinsatz. Bundesligavereine haben schon lange nichts mehr mit der Gemeinnützigkeit des Sportvereins um die Ecke zu tun. Das sind Profivereine mit der Absicht der Gewinnerzielung, die allerdings wegen der teuren Spielerkäufe nicht immer klappt.
Deshalb hat der Bremer Senat zu Recht beschlossen, in die Gebührenordnung den Tatbestand der Gebührenzahlung für gewinnorientierte Großveranstaltungen mit zusätzlichem Polizeipersonal aufzunehmen. Derzeit geht es im Bremer Weserstadion um vier Hochrisikospiele, bei denen der Einsatz an Polizeipersonal von normalerweise 200 Personen auf 1 200 ausgeweitet werden muss. Das Gebührenprinzip für besondere hoheitliche Leistungen, die nutzerspezifisch zugerechnet werden, gilt schon lange. Beispielsweise zahlen Logistikunternehmen, die bei Schwergütertransporten auf eine polizeiliche Begleitung angewiesen sind, eine Gebühr. Nach Auskunft der Juristen lässt das heutige Polizeirecht bereits die Überwälzung der Kosten über Gebühren zu.
Dieses Prinzip der Kostenteilung lässt sich nicht mit dem Hinweis, die Vereine zahlen ja auch Steuern und Abgaben, vom Tisch wischen. Nach Angaben des DFL wurden durch den Lizenzfußball 851 Mio. € in der letzten Spielsaison an den Staat bezahlt. Der DFL-Präsident irrt, wenn er behauptet, die Steuerzahlungen seinen bereits der gemeinnützige Beitrag der Ligavereine für den Staat. Auch das Logistikunternehmen, dessen Zweck die Gewinnerzielung ist, zahlt einerseits Steuern. Für besondere Polizeieinsätze durch Schwertransporte fällt andererseits die Gebühr an. Auch lenkt die genüsslich verbreitete Behauptung, Bremen müsse wegen seiner Haushaltsnotlage krampfhaft Einnahmenquellen erschließen, vom Prinzip der Finanzierung im Abgabenstaat ab. Auch bei bester Finanzlage müsste das Verursacherprinzip bei Zusatzleistungen für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zum Zuge kommen. Dem DFL ist zusammen mit seinen Mitgliedsvereinen ein Bildungsseminar zu empfehlen. Thema: Prinzipien des Verfassungsstaates und dessen Finanzierungsregeln, denen auch der „Fußballgott“ unterliegt.