Erste Lehren aus dem VW-Ökobetrug
Der manipulative Einsatz einer Software zur Reduktion des gemessenen Schadstoffausstoßes auf dem Prüfstand gegenüber der realen Nutzung des Automobils erschüttert. Da nützt es wenig, dass der VW-Konzern selbst im Betrug seine Softwaregenialität beweist. Die Betrugsabsicht mit so viel Erfindergeister wird zum Ärgernis. Der eigentliche Skandal zeigt sich in der Tatsache, dass dies alles ohne eine funktionierende Kontrolle im Unternehmen auf der Basis eines Frühwarnsystems geschehen konnte. Der Grund für dieses Fehlsystem klingt einfach, ist aber wahr: Bornierte Profitinteressen im harten Konkurrenzkampf ohne Rücksicht auf die selbst erklärten ökologischen Ziele schaffen das Klima dafür. Umweltauflagen zu umgehen, dienten dem Ziel geringere Kosten durch die Reduktion der Katalysatortechnik zu erzielen. Es ging auch darum, das Image eines leistungsfähigen Dieselmotors zu stärken.
Der VW-Betrug zeigt: Unter den Bedingungen des kapitalistischen Wettbewerbs gibt es keine systemimmanent erzeugte ökologische Moral. Es dominieren schnöde Profitinteressen. Deshalb muss auf zwei miteinander verknüpften Ebenen radikal reagiert werden:
(1) Die Kontrollen der staatlichen Auflagen müssen zum einen gegen den Einfluss der mächtigen Auto-Lobby geschützt werden. Zum anderen sind endlich Kontrollen unter realen Bedingungen des Automobileinsatzes - auch stichprobenartig - durchzuführen. Darüber hinaus werden die Produktionsfirmen verpflichtet, ihre Softwaretechniken sowie die genutzten Algorithmen nicht nur im Bereich Schadstoffemissionen gegenüber den Kontrollbehörden offenzulegen.
(2) Staatliche Regulierungen funktionieren jedoch nur, wenn sie auch innerhalb der Unternehmen durch entsprechende Entscheidungsstrukturen verankert werden. Ansonsten laufen die staatlichen Vorgaben ins Leere. Die Unternehmen müssen interne Risikosysteme zur Offenlegung von Betrugsproduktion mit Sanktionsmechanismen etablieren. Dazu gehört auch eine Stärkung der Entscheidungssouveränität dezentraler Unternehmenseinheiten in komplexen Konzernen.
Die derzeit kursierenden Versuche, diesen Betrugsskandal zu bagatellisieren, sind mehr als ärgerlich. Die Tatsache, dass auch andere Firmen vermutlich Grenzwerte umgangen haben, macht die Verfehlung von VW nicht geringer. Auch ist es schlichtweg zynisch, darauf zu verweisen, es hätten anders als bei den defekten Gaspedalen bei Toyota unmittelbar keine Menschen ihr Leben verloren. Stickoxide und Feinstaub sind jedoch nachweislich gesundheitsschädlich und führen Jahr für Jahr zu tausenden von Todesfällen. Eine weitere Bagatellisierung ist der Hinweis, vor allem von einäugigen Börsengurus, die Automobilwirtschaft in den USA betreibe eine VW-Skandalisierung mit durchsichtigen Eigeninteressen. Das ist unbestreitbar. Wahr ist aber auch, dass erst VW mit dem organisierten Betrug jetzt der US-Automobilindustrie wirklich den Vorteil verschafft.
Interessant ist, dass den Betrug nicht automobile Konkurrenz in den USA offen-gelegt hat. Möglicherweise verfügen sie nicht einmal über den technologischen „Vorsprung“. Entdecker ist ein kleines, von der Autolobby unabhängiges Non-Profit- Institut in den USA („International Council on Clean Transportation“), das allerdings durch reiche Mäzene unterschützt wird (etwa die beiden Hewlett-Packard-Gründer). Dank sei dem unabhängigen Institut und den finanzierenden Stiftungen für eine bessere Umwelt. Im Kampf von Barak Obama gegen die Klimakatastrophe mit seinem „Clean Power Plan“ ist dieser Umweltbetrug eine massive Provokation. Um auch den Anti-Umweltkräften in der USA-Wirtschaft und der konservativen Politik zu zeigen, was die Zukunft sein muss, ist die ankündigte Härte durch die neue Justizministerin gegen die VW-Manipulationen allzu verständlich.
VW hat sich mit dieser hoch intelligenten Reduktionssoftware beim Nachweis von Schadstoffemissionen weltweit blamiert. Da hilft auch nicht der Hinweis auf andere tatverdächtige Automobilunternehmen in Deutschland. Eine erneute Demontage des "Made in Germany" ist die Folge. Der Anspruch auf ökologische Wahrhaftigkeit nach dem Motto, was drauf steht, steckt auch drin, ist erst einmal verspielt. VW und irgendwie auch in der Gesamthaftung Deutschland haben das Recht, sich als ökologisches Gewissen und Vorreiter in Sachen Umwelt- und Klimaschutz zu präsentieren, schwer ramponiert.
Die entscheidende Frage, die es schnell zu klären gilt, lautet: Wie konnte über Jahre hinweg dieser Betrug mit dem Einbau von Software zur Vortäuschung gesetzlich korrekter Emissionswerte im Unternehmen unentdeckt bleiben? Wo waren die Whistleblower? Oder sind die unternehmensinternen Hinweisgeber zum Skandal unterdrückt worden? Offensichtlich fühlte sich der verschworene Kreis der Betrüger einigermaßen sicher. Abgesehen vom Versagen der staatlichen Regulierung muss daher innerhalb des VW-Konzerns ein durchgreifender Umbau vorangetrieben werden. Zentralistische Strukturen und technologischer Machbarkeitswahn haben letztendlich das Risikomanagement auch im Bereich der Entwicklung „giftiger Software“ behindert. Da wirkt die Ankündigung eines „Kulturwandels“ lächerlich. Erinnerungen an die Deutsche Bank mit ihrem angekündigten Kulturwandel nach exzessiven illegalen Praktiken werden wach. Ein Wandel einer vorher nicht gehabten Kultur ist eigentlich nicht möglich. Der VW-Konzern muss die Produktions-Kultur erst einmal herstellen. Dazu gehört der grundlegende Umbau der Konzernstruktur. Das Ziel ökologische Qualität der Automobile sollte auf allen Ebenen in den Konzern eingepflanzt werden. Das geht nur mit einer neuen Führungsphilosophie. Der Machbarkeitswahn der alten zentralistischen Produktionstechniker hat ausgedient. Künftig wird der VW-Konzern einigermaßen rational nur noch steuerbar sein, wenn die dezentralen Unternehmenseinheiten mit mehr Entscheidungskompetenz im Rahmen der allgemeinen Zielvorgaben ausgestattet werden. Extern begutachtete Systeme eines präventiven Risikomanagements sowie eine Unternehmenskultur zur Stärkung einer frühzeitigen Offenlegung von Fehlentwicklungen sind gefordert.