Dagobert Duck in der Sparfalle
stark gekürzt in: Die TAZ vom 30.11.2012
Spätestens nach den bitteren Erfahrungen mit den Folgen des entfesselten Finanzkapitalismus sollte der „homo oeconomicus“ als der Leithammel des Neoliberalismus ausgedient haben. Die Suche nach einer alternativ-tauglichen Figur wirtschaftlich verantwortungsvollen Handelns ist voll im Gange. Wer hätte das gedacht: Dagobert Duck aus Entenhausen, wird als Antiheld des völlig gescheiterten „homo oeconomicus“ gehandelt. Im Dezember 1947 hatte diesen schrulligen Schatzbildner erstmals der Texter und Zeichner Carl Barks in der Comic-Reihe „Walt Disney´s Donald Duck“ Leben eingehaucht.
Woher sein Reichtum kommt, spielt im Comic-Entenhausen keine
Rolle. Vielmehr geht es um die Frage, wie er damit umgeht. Dagobert
hat sein Privateigentum in Gold in einem riesigen, einem Hochhaus
ähnlichen Silo gebunkert. Ein kleines Sprungbrett am oberen Rande
ermöglicht ihm den Sprung zum Schwimmen auf dem Gold. Dieser extreme
Geizling, der mit einem Bären um ein Honigglas beim Preis von
zwei Dollar kämpft, zieht nur aus der sinnlichen Wahrnehmung seines
gelegentlich auch mit der Hand gestreichelten Reichtums seinen Nutzen.
Letztlich gibt es nur einen Feind dieses Megavermögenden. Das ist
die allerdings völlig erfolglose, traurige Panzerknackerbande („Beagle
Boys“). Übrigens hat der gebende und nehmende Staat in Entenhausen
keinen Platz. Von Vermögensabgabe oder dauerhafter Vermögensteuer
ist nicht die Rede. Dagobert trägt nichts bei zur Finanzierung der öffentlichen
Infrastruktur sowie eines Sozialsystems für die Armen.
Dieser geizige Krösus
aus Entenhausen, der sein Vermögen sinnlich genießt,
wird heute als Leitfigur in der Mikroökonomie beschworen. Allerdings,
die Vereinnahmung als ökonomischer Lehrmeister könnte
nicht unterschiedlicher ausfallen: Peer Steinbrück, im selben Jahr wie
sein Comic-Dagobert geboren, lobt seine tugendhafte Sparsamkeit. Es
hätte viel mehr Dagoberts, die ihren Reichtum in Panzerschränken lagern,
geben sollen. Die Volkstugend „Spare in der Zeit, dann hast Du in
der Not“ schimmert durch. Die gesamtwirtschaftlich negativen Folgen
interessieren bei diesem Loblied auf das Sparen, genauer gesagt dieses
Horten, den nicht gänzlich abgebrannten SPD-Kanzlerkandidat nicht.
Schließlich fällt auf, dass zur notwendigen Besteuerung des
Goldvermögens geschwiegen wird. Da könnte schon Zweifel an
Steinbrücks versprochener Wiederbelebung der Vermögensteuer aufkommen.
Im radikalen Gegensatz zum Steinbrückschen Credo auf die
Sparmentalität erhebt die Occupy-Bewegung den bisher nur als unerträglich
geizig erkannten Dagobert zur personifizierten Fratze des von
Gier getriebenen Finanzkapitalismus.
Die Occupy-Bewegung irrt gründlich. Dagobert Duck nutzt nicht jeden Tag Telefone und schließlich den PC um weltweit nach hohen Renditen für sein Vermögensbudget zu suchen. Auch sind im Spekulationsgeschäfte zuwider. Er ist eine Anti-Heuschrecke. Die Primitiv-Dagobert-Ökonomie hätte Immobilien- und andere Blasen auf den Finanzmärkten nicht ermöglicht. Er ist nach der marxschen Terminologie der Schatzbildner, die Fratze des Kapitalisten.
Dagobert wird aus einem ganz anderen Grund zum Totengräber moderner Ökonomien. Sein Reichtum arbeitet nicht für die Wirtschaft. Er wird nicht zur Finanzierung von öffentlichen und privaten Sachinvestitionen an die Volkswirtschaft eingesetzt. Wer spart, belastet die gesamtwirtschaftliche Entwicklung (Sparparadoxon). Der Reichtumserpel personifiziert den wirtschaftlichen Akteur, der die von John Maynard Keynes entdeckte Liquiditätsfalle aufmacht. Erwirtschaftetes Geld wird dem Kreislauf entzogen. Dies tut er allerdings, weil er den subjektiven Nutzen aus der sinnlichen Wahrnehmung seines Goldes beim Baden zieht. Die heutige Liquiditätsfalle ist anders begründet. Die Unternehmen und die reichen privaten Haushalte lassen Einkommen massenhaft als Liquidität per Sicht- und Termineinlagen praktisch zinslos auf den Bankenkonten liegen. Sie tun dies nicht mit der Lust von Dagoberts, sondern aus purer Verzweiflung. So bunkern derzeit Deutschlands Unternehmen über 270 Mrd. € als kurzfristige Liquidität auf ihren Bankkoten. Ursache sind die pessimistischen Absatzerwartungen, die auch Folge der Banken- und Finanzmarktkrise sind.
Aus Dagobert Ducks gesamtwirtlicher Blindheit lassen sich zwei Lehren ziehen: Es geht zum einen nicht ohne eine makroökonomische Politik sowie Regulierungen der Märkte auch mit dem Ziel, die anhaltende Vertrauenskrise abzubauen. Die Liquidität muss wieder den Weg in die Finanzierung von privaten und öffentlichen Sachinvestitionen sowie zur Stärkung des privaten Konsums finden. Dabei kommt zum anderen auch dem Staat eine wichtige Rolle zu. Dagoberts Goldschatz muss nach dem Prinzip ökonomischer Leistungsfähigkeit besteuert werden. Da jedoch Dagobert keine Lust hat, sein hohes Vermögen noch zu vermehren, ist eine Substanzbesteuerung zugunsten der Finanzierung öffentlicher Ausgaben in Entenhausen unvermeidbar. Zur Versöhnung: Aus den Einnahmen lässt sich auch der Kampf gegen Panzerknackerbanden und andere Arten der Kriminalität finanzieren.