Rudolf Hickel: Aufklärung über die Verhandlungspositionen gegen Legendenbildung
Rudolf Hickel
Gegen Legendenbildung: Aufklärung über die Verhandlungspositionen gegen
Legendenbildung
Blick in die Dokumente zur Kontroverse zwischen der griechischen Regierung und
den drei Geberinstitutionen (EU, IWF. EZB)
Martin Schulz und vor allem Vertreter der deutschen Regierung haben in
vielen Interviews behauptet, weder Rentenkürzungen noch die Erhöhung der Mehrwertsteuer
sollten in Griechenland durchgesetzt werden. Diese Behauptungen halten einer
Überprüfung der Dokumente (siehe unten) nicht Stand. Allerdings wird, wie oft
von Kritikern behauptet, der ermäßigte
Steuersatz von 6% auf pharmazeutische Produkte nach dem
Vorschlag der Geberländer nicht erhöht. Der Vergleich der drei entscheidenden
Positionspapiere (siehe unten) schafft Aufklärung
- Am Anfang steht ein überarbeiteter, aktuellster Vorschlag der drei
Institutionen an die
griechische Regierung.
- Dann haben die drei Geberinstitutionen den darauf vorgelegten Vorschlag
der griechischen
Regierung massiv verändert (auch durch Streichungen).
- Zum Vergleich steht am Ende der Vorschlag der griechischen Regierung.
Die
Abfolge
1. Die griechische Regierung hat
einige wichtige der ursprünglichen Forderungen der Gläubiger akzeptiert. Durch
einige Kürzungen im Rentensystem und die Änderungen bei der Mehrwertsteuererhöhung
ist Tsipras von den eigenen Wahlversprechen abgewichen.
2. Darauf haben die drei Institutionen wie folgt reagiert: Ungefähr die Hälfte
des griechischen Vorschlags wurde gelöscht und durch neue Maßnahmen ersetzt.
Danach soll die Mehrwertsteuer nicht nur 0,7% sondern 1% des Bruttoinlandsprodukts
erbringen. Es ist vorgesehen, die für den Tourismus und die Binnennachfrage
wichtige Gastronomie künftig mit dem höchsten Steuersatz von 23% (anstatt 13%)
zu belasten. Im Rentenbereich werden die phasenweise Einstellung der sog.
solidarische Unterstützung (EKAS) gefordert und damit die Renten gekürzt.
Gefordert wird auch, die Mindestrente bis 2021 einzufrieren.
3. Abgesehen von diesen Änderungen ist im derzeit letzten Vorschlag der Institutionen
keine Änderung mehr vorgenommen worden. Da erklärt die Diskrepanz zum Vorschlag
der griechischen Regierung vom Montag, dem 22. 6. 2015.
Das
Fazit
Derzeit setzen die drei Institutionen trotz etlicher Zugeständnisse
im
Prinzip die seit 2010 als Gegenleistung für Finanzhilfen durchgesetzte
Austeritätspolitik fort. Diese hat unbestreitbar zum Einbruch der Produktion um
25%, zum Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 25% (Jugendliche 50%) und
zur
steigenden Armutsquote geführt hat. Da die gesamtwirtschaftliche Produktion
stark eingebrochen ist, hat der Anteil der Gesamtschulden am
Bruttoinlandsprodukt auf über 180 % zugenommen.
Was
Not tut
Drei Programmpunkte sollten in die Verhandlungen aufgenommen
werden:
1. Die Kredite des IWF und der EZB, deren Rückzahlung aktuell zur Zahlungsunfähigkeit
führen würde, sollten durch den Rettungsfonds (ESM) übernommen werden und
langfristig refinanziert werden.
3. Ein Sofortprogramm gegen Armut mit dem Schwerpunkt medizinischer Versorgung
sollte realisiert werden.
2. Gegenüber den bisherigen Finanzhilfen, die nahezu ausschließlich zur Abwicklung
der Gläubigerforderungen genutzt werden, bedarf es des Einsatzes frischen
Geldes zum Aufbau der Wirtschafts- und
Infrastruktur.
Quellen:
Überarbeiteter und aktuellster
Vorschlag der drei Institutionen an die griechische Regierung:
http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-5270_en.htm
Der am Mittwoch von IWF, EZB
und EU-Kommission völlig veränderte Griechische Vorschlag von Montag [PDF –
291 KB];
http://blogs.ft.com/brusselsblog/files/2015/06/Greek-crediors.pdf
Der Vorschlag der griechischen
Regierung (vom Montag, 22.06.2015) [PDF – 3.4 MB]
http://s.kathimerini.gr/resources/article-files/protasi--2.pdf